Heiss Glüht Mein Hass
aber Bobby Mitchell hat’s in der Hinsicht ein wenig übertrieben. Er hat zu viel getrunken und seine Kinder verprügelt.«
Ihre Augen verengten sich. »Nein.«
»O doch. Weißt du, was ich dachte, als ich dich eben gerade sah? Ich war beeindruckt und wütend und neidisch zugleich. Du hast vielleicht nichts gehabt, aber nichts war besser als das, was wir zu Hause ertragen haben.«
»Wie kann etwas besser als nichts sein?«, fragte Olivia verbittert.
»Meine Wunden heilen schnell, und das war nützlich, denn Bobby hatte große Fäuste und setzte sie nur allzu gern ein. Bei mir etwas weniger als bei Kelsey. Gebrochene Knochen und Platzwunden und Lügen, während wir von einem Arzt zum anderen zogen, damit es bloß nicht auffiel.« Olivia starrte sie nun entsetzt an. »Und das ist die Wahrheit.«
»Aber das ist …«
»Entsetzlich? Unglaublich? Nicht wiedergutzumachen?«
»Ja. Er kann doch nicht so …«
»Schlimm gewesen sein? Lüge ich dich an?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, das meinte ich nicht. Kelsey war als Jugendliche schwierig. Vielleicht …«
Mia sprang auf die Füße. »Vielleicht hat sie es verdient, oder was?«
Olivia hob das Kinn. »Sie ist im Gefängnis, Mia. Schuldig gesprochen und verurteilt.«
»O ja, das ist sie. Mit sechzehn lief sie von zu Hause weg. Hat sich mit den falschen Leuten eingelassen. Sie war sicher kein unschuldiges Ding, aber so übel war sie auch nicht.«
»Aber sie hat ein Verbrechen begangen. Hör zu, sie ist deine Schwester. Natürlich verteidigst du sie.«
Mias Kehle wurde eng, und in ihren Augen brannten Tränen. »Du hast doch keine Ahnung.«
»Du bist lange genug Polizistin, um zu wissen, dass die Leute Entscheidungen treffen. Sie ist weggelaufen. Und einen prügelnden Vater zu haben, rechtfertigt nicht, dass man in einem Laden die Waffe auf den Verkäufer richtet, während der Freund zwei Kunden niederschießt. Ein Vater und sein kleiner Sohn sind gestorben, und dafür ist Kelsey verantwortlich. Das kannst du wohl kaum entschuldigen.«
Das Blut rauschte Mia in den Ohren. O ja, die kleine Schwester las Zeitungen, sogar alte. »Nein, das tue ich auch nicht und Kelsey genauso wenig. Vielleicht überrascht es dich, dass sie noch kein einziges Mal selbst auf eine Bewährungsverhandlung bestanden hat. Sie wird ihre Zeit absitzen. Und wenn sie es getan hat, wird sie über die Hälfte ihres Lebens im Knast verbracht haben.«
Olivia sah tatsächlich überrascht aus, aber ihre Miene blieb hart. »Und das hat sie verdient.«
Mia presste die Lippen so fest zusammen, dass sie schmerzten. »Du hast keine Ahnung, was sie
verdient.
Du weißt
gar nichts.
«
Olivias Augen blitzten auf. »Ich weiß, dass sie eine Familie hatte. Ein Haus. Etwas zu essen. Eine Schwester, die sie liebt. Was weit mehr ist, als ich je hatte, und ich bin nicht so geworden.«
Etwas zerriss in ihr. »Stimmt, und du hattest auch keinen Vater, der für seinen Schutz Sex verlangte.« Sobald die Worte heraus waren, hätte Mia sich dafür treten können. »Verdammt noch mal«, zischte sie.
Olivia stand da und wurde mit jeder Sekunde bleicher. »Was?«
»Gott.« Mia stützte sich an der Spüle ab und ließ den Kopf hängen, aber Olivia packte ihren Arm, bis sie aufblickte.
»Was hast du gesagt?«
»Nichts. Ich habe nichts gesagt. Lass es gut sein. Ich will nicht mehr.«
»Hat Kelsey dir das gesagt?«
Alles in ihr erstarrte, und die angedeutete Anschuldigung der Lüge hing zwischen ihnen. »Ja, das hat sie mir gesagt.« Sie schluckte. »Und ich weiß, dass es wahr ist.«
Olivias Augen waren dunkel. »Das kann nicht wahr sein.«
»Ist es aber. Du kannst von
deinem
Vater glauben, was du willst, aber was
meinen
betrifft, ist es die Wahrheit.«
Olivia wich bebend einen Schritt zurück. »Und warum bist du dann Cop geworden? Wie er?«
Und wie Olivia, dachte Mia und empfand den Schmerz über ihren Verlust so stark, als sei es ihr eigener. »Nicht wie er«, sagte sie müde. »Ich bin unter Cops aufgewachsen. Gute, anständige Leute. Sie hatten einen Familiensinn, den ich nicht kannte. Das wollte ich auch haben. Und ich denke, ich wollte Kinder wie Kelsey beschützen, da es mir bei ihr nicht gelungen war. Es gibt so viele Kinder wie Kelsey. Du bist selbst Polizistin. Du hast sie gesehen. Anfangs habe ich mich vor allem um Ausreißer gekümmert. Während meiner Ausbildung lernte ich, die miesen Kerle zu erwischen, die ihnen etwas antaten, und ich machte es gut. Und genau das bin ich. Polizistin.
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