Heiss wie der Sommer
wackligen Stühle vom Ecktisch zurück und setzte sich hin, um weiter Kekse zu verschlingen.
Er musste sich eine ganze Weile hier versteckt gehalten haben, wenn er alles Konservenfleisch aufgegessen hatte. Tyler lagerte es hier, damit er bei seinen seltenen Aufenthalten in der Hütte etwas zu essen zur Hand hatte.
„Meine Mom hat früher mal hier gelebt“, sagte Davie nach einer Weile. „Aber da war ich noch gar nicht auf der Welt.“
„Wer ist deine Mom?“, fragte Dylan sanft, aber viel zu offensichtlich. Als ob der Junge sich nicht an fünf Fingern abzählen konnte, dass Dylan die Frau aufsuchen wollte, um sie zur Rede zu stellen, warum sie zuließ, dass ihr Freund ihren Sohn verprügelte.
„Sind Sie ’n Sozialarbeiter oder so was?“, fragte Davie misstrauisch.
„Nein“, antwortete Dylan, holte Kaffeebecher aus dem Regal und musterte verdutzt das, was darin herumzukriechen schien. „Ich will nur helfen, weiter nichts. Deine Mom wird sich ganz schöne Sorgen um dich machen.“
„Die hat genug damit zu tun, im Kasino Drinks zu servieren“, schnaubte Davie. „Roy hat seit einem Jahr keinen Job mehr, darum arbeitet sie immer zwei Schichten, um so viel zu sparen, dass wir uns ein eigenes Haus leisten können.“
Wieder sahen sich Dylan und Tyler wortlos an. Nachdem der Junge etwas in den Magen bekommen hatte, wurde er auf einmal gesprächig.
„Wir leben draußen in diesem Trailerpark Shady Grove, zusammen mit Roys Grandma. Da geht’s ganz schön eng zu, vor allem, wenn Roy schlecht drauf ist.“
Jake Creed war auch dafür bekannt gewesen, die Fäuste sprechen zu lassen, wenn er einen Teil seines Gehaltsschecks in die nächste Kneipe trug. Dylan und Tyler hatten sich öfter in der gleichen Lage wie Davie befunden, auch wenn keiner der beiden das freiwillig zugegeben hätte. Meist hatten sie dann bei Cassie Zuflucht gesucht und bei ihr im Wohnzimmer oder in ihrem Tipi im Garten geschlafen. Nur Logan hatten Jakes Wutausbrüche nichts ausgemacht, vielleicht, weil er immer dessen Liebling gewesen war – der Sohn, der es womöglich mal zu etwas bringen würde.
Der Kaffee begann zu kochen.
Kit Carson trottete nach draußen auf die Veranda und legte sich in die Sonne, um seine Knochen wärmen zu lassen, wie es ein Hund in seinem Alter auch machen sollte.
„Ich fahre dich in die Stadt“, sagte Dylan zu dem Jungen, nachdem einige Zeit verstrichen war. „Der neue Sheriff ist ein Freund von mir. Könnte sein, dass er etwas gegen Roy unternehmen kann.“
Furcht huschte über Davies Gesicht, die er nicht schnell genug unter Kontrolle bekam. „Das Einzige, was man gegen Roy Fifer unternehmen kann, ist, ihm eine Ladung Schrot in den Bauch zu jagen. Warum kann ich nicht hierbleiben? Ich kann draußen schlafen, und ich arbeite auch für das, was ich esse. Ich kann zum Beispiel Holz hacken oder so.“
Der Junge konnte nicht bleiben, das war Tyler klar. Er war selbst ein Einzelgänger, und Davie war minderjährig; der Junge konnte nicht älter als dreizehn oder vierzehn sein. So oder so war seine Mutter diejenige, die sich darum kümmern musste, wo er schlafen sollte. „Das würde nicht funktionieren“, sagte er, wenn auch gegen seinen Willen.
Was hätten Dylan und er in all den Nächten getan, wenn Cassie sie weggeschickt hätte? Wenn sie Jake Creed nicht vor ihrem Haus damit gedroht hätte, ihn bei Sheriff Book anzuzeigen, wenn er nicht verschwinden und seinen Rausch ausschlafen würde?
„Ich werde wirklich arbeiten“, beharrte Davie in einem so verzweifelten Unterton, dass es Tyler die Kehle zuschnürte. „Ich kann auf den Hund aufpassen, Holz hacken, Fische fangen, damit wir was zu essen haben. Ich werde Ihnen auch aus dem Weg gehen, und Sie werden gar nicht merken, dass ich überhaupt da bin …“
„Könnte sein, dass ich nicht sehr lange bleibe“, erwiderte Tyler heiser. Er konnte dem Jungen nicht in die Augen sehen. „Und allein kannst du hier nicht bleiben. Schließlich bist du noch ein Kind.“
Davie war den Tränen so nah, wie es sein Stolz zuließ. „Okay“, stimmte er ihm zu und ließ ein wenig die Schultern sinken.
Dylan schob seinen Stuhl nach hinten und stand seufzend auf. Offensichtlich waren auch ihm all die Dinge durch den Kopf gegangen, an die Tyler sich erinnert hatte. Vermutlich waren es sogar noch ein paar Dinge mehr; er war schließlich der mittlere Sohn. Der Sohn, der all das verkörperte, was Jake Creed hätte werden können, wäre er nicht so ein Taugenichts
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