Heiss wie der Sommer
gestochen wurden“, ließ Davie verlauten, dann wollte er mit einer Mischung aus Trotz und Interesse erfahren: „Was tun Sie eigentlich hier?“
„Ich will mit deiner Mutter reden“, antwortete Tyler.
Die Frage der Vaterschaft würde er nicht mit Davie diskutieren, sondern erst einmal in Ruhe mit Doreen darüber reden. „Über dies und jenes. Dylan sagt, Sheriff Huntinghorse will dich zu einer Pflegefamilie schicken, aber du hast damit gedroht, du würdest dann weglaufen.“
Davie reagierte mit einem völlig humorlosen Lächeln. „Oh Mann, diese Kleinstädte! Hier spricht sich wirklich alles sofort rum.“
„Weglaufen wäre keine gute Idee.“
„Sie kennen den Freund meiner Mom nicht. Der Sheriff hat gesagt, er wird nach Roy suchen und ihn warnen, dass er mich nicht noch mal schlagen soll.“ Davie ließ ein verbittertes Lachen folgen. „Das wird richtig lustig werden, wenn Mom mit mir nach der Arbeit in den Trailer zurückkehrt!“
Tylers Magen verkrampfte sich, als er sich ausmalte, was den Jungen an diesem Abend und an den nächsten Tagen erwarten würde. In dem Moment wusste er: Er konnte nicht tatenlos zusehen, ob Davie nun sein Sohn war oder nicht.
„Ich habe noch mal nachgedacht“, sagte er behutsam. „Vielleicht könnte ich doch jemanden gebrauchen, der mir in der Hütte und ringsherum hilft.“
Auch wenn er es zu überspielen versuchte, konnte Davie sein wachsendes Interesse nicht verbergen. Er legte den Comic zur Seite und sah Tyler an. „Was denn für Hilfe?“, fragte er fast schon misstrauisch. Und das, wo er Tyler zuvor praktisch angefleht hatte, ihn nicht wegzuschicken.
„Das, was du heute selbst vorgeschlagen hast. Auf Kit Carson aufpassen, Holz hacken, den Rasen mähen und so weiter.“
„Die Hütte ist ziemlich klein. Wo soll ich schlafen?“
„Du bekommst ein Feldbett und einen Schlafsack.“
„Sie haben nicht mal ’nen Fernseher.“
Tyler grinste. „Für jemanden, der vor ein paar Stunden noch Hals über Kopf bei mir einziehen wollte, bist du auf einmal aber ziemlich anspruchsvoll.“
„Wären Sie dann so was wie ein Pflegevater für mich?“, fragte Davie und klang wie ein Anwalt. „Bekämen Sie dann vom Staat einen Scheck?“
Lachend trank er einen Schluck von dem miserablen Kaffee. „So viel könnte mir der Staat gar nicht bezahlen, damit ich mir jemanden aufhalse, der so eine Einstellung hat wie du. Nein, das ist ein rein nachbarschaftliches Angebot. Außerdem muss deine Mom erst mal einverstanden sein.“
Nach Doreens Aussehen zu urteilen, hatte sie schon zu lange versucht, zwischen dem guten alten Roy und ihrem Sohn zu vermitteln. Bei all den Problemen, die ihr offenbar zu schaffen machten, wäre es für sie bestimmt eine Erleichterung, wenn sich Davie für eine Weile bei Tyler einquartieren konnte.
„Wieso haben Sie es sich anders überlegt?“, wollte Davie wissen, der nicht mehr ganz so hochtrabend klang. Tyler merkte ihm an, dass er Angst hatte, sich irgendeiner Hoffnung hinzugeben, und dass diese Angst ihn wütend machte. Das hatte er alles am eigenen Leib mitgemacht.
Das Leben sollte weder für Davie noch für die vielen anderen Kinder so unerbittlich sein.
So unerbittlich, wie es für ihn selbst gewesen war.
„Ich brauchte etwas Zeit, um darüber nachzudenken, weiter nichts“, behauptete Tyler, aber es klang in seinen Ohren so wenig überzeugend, dass Davie es ihm vermutlich nicht abnahm. „Wenn du’s verbockst, schmeiße ich dich natürlich raus.“
Davie sah ihn mit großen Augen an. Es waren weder Doreens noch seine Augen, und sie erinnerten ihn auch an niemanden aus seiner Familie. Trotzdem …
Trotzdem.
„Meinen Sie das echt? Ich kann bei Ihnen bleiben?“
„Ja, solange du keinen Ärger machst.“
„Und Sie besorgen ’nen Fernseher?“
„Davon habe ich nichts gesagt“, widersprach Tyler ihm amüsiert. „Aber wenn ich mehr über dich weiß, überlasse ich dir vielleicht dann und wann meinen Laptop.“
„Und ich muss mich nur um den Hund kümmern und den Rasen mähen?“
„Du hast gesehen, wie hoch das Gras gewachsen ist. Ich vermute, dass sich irgendwo darunter eine Rasenfläche befindet, aber ich bin mir nicht sicher.“ Tyler dachte kurz nach. „Tatsache ist, dass ich mit dem Gedanken spiele, da was Größeres hinzubauen.“ Hatte er tatsächlich mit diesem Gedanken gespielt? Bewusst jedenfalls nicht. Aber nachdem die Idee ihm jetzt durch den Kopf gegangen war, fand er Gefallen daran. Vermutlich, weil Dylan davon
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