Heiss wie der Sommer
die Staubwolke allmählich legte, und überlegte, wie zum Teufel er jetzt vorgehen sollte.
Er könnte Logan anrufen. Sein ältester Bruder war Anwalt, und dazu noch ein richtig guter. Neben den Siegen im Rodeo hatte er auch eine Rechtsberatungswebsite entwickelt, die ihn zum reichen Mann gemacht hatte.
Tyler war ebenfalls ein Nutznießer dieser Website. Er hatte all sein Geld zusammengekratzt und Anteile an Logans Unternehmen gekauft, kurz bevor es für etliche Millionen Dollar an ein multinationales Firmenkonglomerat veräußert wurde. Dylan hatte auch investiert, das wusste er.
Ja, ein kluger Mann hätte einen solchen Bruder angerufen und ihn um Rat gefragt.
Doch wenn es um Logan ging, war Tyler kein kluger Mann.
Schließlich kehrte er zum Haus zurück und setzte sich auf die Überreste seiner Veranda, um die Papiere zu studieren, die Doreen ihm dagelassen hatte. Er las sie einmal, zweimal, dann ein drittes Mal.
Soweit er das beurteilen konnte, war der Vertrag wasserdicht und ließ für Doreen keinerlei Schlupflöcher. Für Verträge hatte er schon immer ein gutes Gespür besessen, und hier fanden sich keine Klauseln und Hintertürchen, die sich nach ein paar Wochen oder Jahren bitter rächen konnten.
Die traurige Wahrheit war, dass er sich mit einem fetten Scheck das dauerhafte Sorgerecht für ein tätowiertes und gepierctes Problemkind erkaufen konnte, von dem er nicht mal wusste, ob er wirklich der Vater war. Bis zu Davies achtzehntem Geburtstag würde Tyler in den Augen des Gesetzes für den Jungen verantwortlich sein.
Sein erster Instinkt sagte ihm, er solle die Vereinbarung unterschreiben, den Scheck ausstellen und der Wahrheit über die Vaterschaft nie auf den Grund gehen. Er wusste, das musste sich für jeden verrückt anhören, der nicht im Haushalt von Jake Creed aufgewachsen war. Und ihm war auch klar, dass es nichts an seiner eigenen Kindheit änderte, wenn er Davie ein besseres Leben ermöglichte.
Aber er war bemüht, einem Kind zu helfen, das in einer schwierigen Situation steckte. Das war alles, was er wollte.
Noch vor einer Woche, sogar noch vor zwei oder drei Tagen hätte er sich entscheiden können, ohne nach der Meinung irgendeines anderen Menschen zu fragen. Aber jetzt gab es in seinem Leben eine Person, deren Meinung ihm sehr viel bedeutete: nämlich Lily.
Davie war Doreens Sohn, und Tyler hatte Lily mit seiner Affäre mit der Kellnerin damals sehr verletzt. Und wenn sie herausfand, wer Davie war – und früher oder später musste sie dahinterkommen –, würde sie vermutlich mit ihm Schluss machen.
Könnte er damit wohl leben? Vor allem nach der letzten Nacht?
Er würde es wohl müssen. Ihm blieb einfach keine andere Wahl. Er hatte den Selbstmord seiner Mutter überstanden, die Misshandlungen durch seinen Vater und den Streit mit seinen beiden älteren Brüdern, die er früher einmal nahezu angebetet hatte. Er war über Shawnas Tod und viele andere Tragödien hinweggekommen.
Dann könnte er auch mit Lilys Entscheidung leben, ganz gleich wie die ausfiel.
Allerdings würde es ihm verdammt wehtun, sollte sie fortgehen. Er wusste nun, wie es zwischen ihnen sein konnte. Das wäre wohl der schlimmste Verlust überhaupt.
Es gab nur eine Lösung: Er musste zu ihr gehen und ihr ohne Umschweife sagen, dass er möglicherweise Davies Vater war. Vor allem musste
er
es ihr sagen, bevor ihm jemand zuvorkam. Danach lag die Entscheidung bei ihr – ob sie bleiben und versuchen würde, diese Beziehung in Gang zu bekommen. Oder ob sie ihn für immer verlassen würde.
Beim Rodeo war Tyler von den wildesten Pferden abgeworfen worden. Er war in Schlägereien verwickelt gewesen, bei denen sein Kontrahent ihn nicht bloß besiegen, sondern töten wollte. Als ein Creed war er in diesen Situationen nicht in der Lage gewesen, die nötige Angst zu empfinden, um rechtzeitig einen Rückzieher zu machen.
Aber jetzt hatte er Angst.
So große Angst wie noch nie zuvor.
Angst vor einer kleinen, zierlichen Frau.
Er seufzte, holte sein Mobiltelefon aus der Tasche und wählte Doc Ryders Privatnummer. Ob Lily ein Telefon hatte, wusste er nicht, da sie ihm keine Nummer gegeben hatte.
Nach dem sechsten Klingeln meldete sich der Anrufbeantworter, der ihm die Nummern der Tierarztpraxis und von Docs Handy runterrasselte.
Da er Lily sprechen wollte, aber nicht ihren Vater, wählte er keine der angegebenen Nummern.
Er steckte sein Telefon ein, ging ins Haus und machte sich ein Sandwich. Es war bereits Nachmittag,
Weitere Kostenlose Bücher