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Heiß wie der Steppenwind

Heiß wie der Steppenwind

Titel: Heiß wie der Steppenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gegeben. Ich weiß, du wirst mich oft brauchen.«
    »Und Mamuschka?«
    »Ich habe ihr von Irkutsk geschrieben. Sie wird allein zurechtkommen, ganz Issakowa hilft ihr dabei.«
    »Hast du von Igor etwas gehört, Väterchen?«
    Sadowjew blickte hinauf in den Himmel. »Nein«, antwortete er. »Er soll verurteilt sein. Zehn Jahre. Weil er ein Idiot ist und zurück nach Deutschland wollte. Vergiß ihn, Töchterchen.«
    »Nie, Vater, nie!« Sie lehnte den Kopf an seine Schulter und bedeckte mit beiden Händen ihre Augen. »Er lebt für immer in mir … Es ist zu spät, ihn aus mir herauszureißen. Sie müßten schon das Herz mitnehmen.«
    »Es ist möglich, daß ich etwas erfahre«, sagte Sadowjew geheimnisvoll. »Der Männerzug ist aus dem Süden gekommen. Hat von den Häftlingen einer Pjetkin gesehen oder gesprochen, wird man es erfahren. Nur Geduld, mein Engelchen. Oder soll ich sofort bei anderen Genossen herumhören?«
    »Wenn es unauffällig ist …« Dunja umarmte ihren Vater, und er legte die Arme um sie und verging vor Seligkeit. »Nur eine Nachricht … ein Zeichen … ein einziges Wort über ihn … Ich werde mich an ihm wärmen können oben in Workuta.«
    Sadowjew versprach, sich sofort umzuhören. Er brachte Dunja zu ihrem Lazarettwagen zurück und rannte dann durch die Dunkelheit davon.
    Bei Marko verlief dieser Anbruch der Nacht etwas komplizierter. Er holte Pjetkin aus seiner Tepluschka und stieß prompt mit Kolka, dem Mörder, zusammen.
    »Habt ihr ihn schon beschlagnahmt, he?« brüllte der Vormann. »Zu uns gehört er! Warum verurteilt ihr ihn erst, wenn ihr ihn dann später in die Sahnetöpfe tunkt? Außerdem wollen wir schlafen! Wir haben keine Rechte mehr, aber das Schlafen hat man uns gelassen. Soll das auch zu Rotz werden, was? Igor Antonowitsch bleibt hier.« Er baute sich in der Tür auf, und auch die zwei Soldaten, die Marko mitgebracht hatte, denn das Herausholen Pjetkins veranstaltete Godunow ganz offiziell, beeindruckten ihn nicht.
    »Sei friedlich, Freundchen«, sagte Marko gelassen. »Er soll nur eine Diagnose stellen, dann ist er wieder bei euch. Im übrigen werdet ihr euch doch trennen … der Konvoi wird umgruppiert. Die Politischen für sich und die Kriminellen für sich.«
    »Unmöglich!« brüllte Kolka. »Das ist eine Lüge! Das hat es noch nie gegeben!«
    »Alles Neue ist einmal zum erstenmal. Befehl aus Moskau.« Marko winkte, die beiden jungen Soldaten traten an die Schiebetür, hieben mit den Gewehrkolben Kolka gegen die Brust und schrien: »Pjetkin, heraustreten!«
    Mit unbeweglichem Gesicht sprang Pjetkin aus dem Wagen in den Schnee. Er war von seinen Kameraden präpariert worden. In den Taschen seiner Steppjacke trug er vier aus Hemden genähte Säcke und auf der Brust einen langen Lederbeutel. Sogar eine Wunschliste hatte er mitbekommen: Brot, Zucker, Salz, Tee, Heringe, Tabak, Mehl, Maiskörner, Gries und Nachrichten, wohin die Fahrt geht und was so draußen in der fernen Welt alles bisher geschehen war.
    »Wir reden noch darüber!« schrie Kolka aus der Dunkelheit des Waggons. »Wir lassen uns unseren Doktor nicht nehmen!«
    Mit schnellen Schritten entfernten sich Pjetkin und Marko. Sie hörten noch, wie knirschend die Tür wieder zurollte und der große eiserne Riegel in die Halterung fiel.
    »Genossen, herhören!« sagte Kolka in der stinkenden Dunkelheit. »Es muß etwas geschehen. Wir werden uns eine ansteckende Krankheit zulegen. Dann wird man Pjetkin abkommandieren, uns zu pflegen. Wer weiß eine gute Krankheit. Ich erwarte Vorschläge, Brüder …«
    Es war eine gute Idee, die Kolka da hatte, denn nichts auf der Welt fürchtet ein Russe mehr als eine ansteckende Krankheit. Wo ein Schild steht mit dem Wort ›Sarasa‹ (Ansteckung), da herrscht ewiger Friede. Der größte Teufel macht einen weiten Bogen darum.
    »Komm mit«, sagte Marko, als sie an dem Magazinwagen vorbeigingen und Pjetkin stehenblieb. »Weiter …«
    »Wohin?«
    »Er hat das Fragen immer noch nicht verlernt!« Godunow ergriff Pjetkins Hand und zog ihn mit sich durch die Dunkelheit. »Igorenka, gewöhne dir an, überrascht zu werden. Hier entlang. Rutsch nicht aus, glatt ist es von den Soldatenstiefeln. Und halt den Mund, mein Söhnchen …«
    »Ich denke nicht daran!« Pjetkin riß sich los. »Soll die Flucht schon hier beginnen?«
    »Wer weiß es?« Marko kicherte meckernd. Er rieb sich die Hände und tanzte vor Freude von einem Bein auf das andere. Ein schauerlicher Anblick für den, der Marko zum

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