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Heiß wie der Steppenwind

Heiß wie der Steppenwind

Titel: Heiß wie der Steppenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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seine helle Stimme wurde schrill. »Mund auf! Was willst du?«
    »Ich bin Dr. Dunja Dimitrowna Sadowjewa«, sagte Dunja. »Und wenn Sie mich fragen, Genosse Chefarzt, was ich hier will … ich weiß es selbst nicht. Ich denke, Sie können mich darüber informieren. Auf meine Anfragen in Moskau habe ich keine Antwort bekommen.«
    »Sie hat in Moskau angefragt! Sie hat es wirklich! Und keine Antwort? Armes Vögelchen … Sie haben sicherlich das Rückporto vergessen.« Dobronin lachte hell, lehnte sich zurück und streckte die Beine unter dem Tisch. »Dr. Sadowjewa. Man hat Sie mir empfohlen als eine unerbittliche Kämpferin – nun stellt sich heraus, daß Sie auch noch eine Komikerin sind.« Dobronin steckte die Hände in die Taschen seines weißen Kittels. »Sie haben einen Arzt, den Kollegen Tschepka, zum Krüppel geschlagen, stimmt das?«
    »Er wollte mich in sein Bett ziehen.«
    »Ein Junge mit Geschmack. Und deshalb vernichten Sie ein Menschenleben? Wie hoch schätzen Sie Ihren Unterleib ein?«
    »Er ist für mich ein Heiligtum, Genosse.« Sie sagte es so stolz, daß Dobronin zunächst schwieg. Verblüfft starrte er sie an, sog an seiner Papyrossa, setzte sich gerade, wies auf einen Stuhl vor seinem Tisch und legte die Hände auf das Buch. Dunja setzte sich.
    »Wir haben im Frauenlager neun Ärzte«, sagte Dobronin langsam. »Mit mir sind es zehn. Wie lange wird es dauern, bis man Sie des zehnfachen Totschlags anklagt?«
    Dunja verzog die Lippen. Das Gespräch mißfiel ihr. Kampfbereit zog sie das Kinn an. »Welch eine Frage«, antwortete sie. »Wenn sie hintereinander kommen, dauert es zehn Schläge lang. Wollten Sie das hören, Genosse?«
    Dobronin sah an die Decke. Ein mutiges Schwälbchen, das da zwitschert, dachte er. Aber man wird das Schwälbchen zerrupfen. Es ist fast ein Verbrechen, so schön in ein Straflager zu kommen.
    »Sie haben noch Kolleginnen im Lager«, sagte er und vermied es dabei, Dunja anzusehen. »Auch strafversetzt wie Sie. Mit ihnen veranstalten wir ein lustiges Spielchen. Jeden Abend werfen wir drei Zettel mit ihren Namen in einen Hut und würfeln dann drei Mann aus, die diese Zettel ziehen dürfen. Geben Sie zu, das ist eine gerechte Verteilung, und ein amüsantes Spielchen dazu. Noch nie wurde so intensiv mit Würfeln gespielt. Ach ja, die Nächte sind langweilig, Dunja Dimitrowna. Sie werden es noch merken. Sie haben einen gesunden Körper … beim abgeschafften heiligen Stepan – er ist eine wahre Gottesfrucht, Ihr Körperchen … und dann die Einsamkeit!«
    »Sind das die einzigen Instruktionen, die ich von Ihnen bekommen kann, Genosse Chefarzt?« sagte Dunja verschlossen. Ihr Gesicht war hochmütig, aus dem blonden Haar tropfte Schneewasser und rann über ihre Schulter.
    Dobronin, im Range eines Oberst, trank die Teetasse leer, wischte sich mit dem Handrücken über die Lippen und blickte erst dann wieder Dunja an. Er fand sie sprungbereit wie eine Wildkatze, mit hellen, harten Augen und einem deutlichen Willen, Gegner gegen alles zu sein, was sie hier im Lager antreffen würde.
    Dobronin seufzte. »Sie kommen in die Selektion«, sagte er und grinste böse. »Ihre Kollegin Anna Stepanowna wird Ihnen zeigen, wie man das macht. Höchste Krankheitsquote 3 Prozent. Gibt es mehr Kranke, ist das die Schuld der Ärzte. Verstehen wir uns, Dunja Dimitrowna? Ich habe hier schon ein Mitglied der Akademie der Wissenschaften gesehen, das Steine für den Straßenbau schleppte … sagt Ihnen das etwas? Wir haben keine Angst vor Namen und Beziehungen … in Workuta sind alle gleich. Gehen Sie hinaus, melden Sie sich bei Anna Stepanowna und sagen Sie in der Verwaltung, daß Sie sich bei mir bereits vorgestellt haben. Man wird Ihnen dann die Kleidung ausgeben, ins Bad führen … na, Sie kennen das ja.«
    »Ich kenne es, Genosse Chefarzt.« Dunja erhob sich, klemmte ihr Gepäck unter die Arme und verließ ohne Gruß das Zimmer. Dobronin sah ihr die kurze Strecke bis zur Tür nach. Er war ein Kenner weiblicher Formen und kräuselte die Nase, als sauge er den Duft von Dunjas Körper ein.
    Den armen Tschepka hat sie für sein ganzes Leben krummgeschlagen, dachte er. Gelähmt ist er und muß in einem Wägelchen herumgefahren werden. Eine schöne Akte ist mit ihr gekommen, ein Bericht, der von Verwunderlichem wimmelt. Liebt einen russischen Arzt, der in Wirklichkeit ein Deutscher ist. Kaum zu begreifen ist es, daß es so viel Durcheinander gibt. Und sogar nach Deutschland will sie mit ihm ausgewiesen

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