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Heiß wie der Steppenwind

Heiß wie der Steppenwind

Titel: Heiß wie der Steppenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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APITEL
    Sieh da … auch Marko, der Zwerg, tauchte wieder auf. Zwei Tage lang strich er um den großen Lagerkomplex, fragte die Natschalniks von Holzwerken und Steinbrüchen, Sägereien und Baufirmen nach Arbeit, bis er so unangenehm auffiel, daß man ihn mit zusammengekniffenen Augen musterte und fragte: »Wo kommst du überhaupt her, he? Was lungerst du hier herum? Schieläugiger Teufel! Hast wohl Sehnsucht, hinter die Palisaden zu kommen, was?«
    Marko konnte sich Angenehmeres vorstellen, seufzte tief wie ein löchriger Blasebalg, nannte die Natschalniks vollgestopfte Säcke und versuchte sein Glück in der Stadt. Nachts verkroch er sich in Schuppen, rollte sich unter Traktoren, deckte sich mit ölgetränkten Lappen und alten Zeitungen zu, aber schlafe einer bei 40 Grad Frost in solcher Lage! Zwei Nächte klapperte Marko mit den Zähnen, dann beschloß er, seinem Leben nicht länger mehr solche Demütigungen zuzumuten.
    Noch einmal betrachtete er aus der Ferne das riesige Männerlager. So nah bin ich dir, Igorenka, dachte er. Irgendwie wird es gelingen, diese Festung zu überwinden. Er wusch sich bei einem Traktoristen, der zuerst bei Markos Anblick einen Schrecken bekam und langsam davon überzeugt werden mußte, daß es wirklich Menschen gab, die so aussahen wie Marko, schnürte dann sein Bündel und wanderte auf der Straße nach Workuta.
    Marko hatte an diesem Tag Glück, wie überhaupt das Glück ein Ersatz für sein erschreckendes Äußere war. Wo er bisher aufgetaucht war, erzeugte er Abscheu oder Mitleid, aber beides führte dazu, daß man ihn anders behandelte als normale Menschen, nämlich besser.
    Wir kennen das ja. In Rußland standen die Außenseiter immer in vorderster Front. Seit Jahrhunderten liebt Rußland seine Idioten, die heiligen Idioten, wie sie sogar genannt wurden.
    Wer blöde war, Epileptiker, Zauberkunststücke konnte, in die Zukunft blickte oder wahrsagte, bekam die Taschen mit Essen vollgestopft und litt nie Not.
    Marko hatte eine gute Idee. Er marschierte zum Heiratspalast und ließ sich beim Genossen Direktor melden. Die Sekretärin betrachtete ihn mit Abscheu und fragte dann: »Sicherlich wollen Sie fragen, ob Sie heiraten dürfen?«
    »Warum sollte ich nicht?« fragte Marko zurück.
    »Sie haben eine Braut?«
    »Ich hatte nicht die Absicht, meine Matratze zu heiraten.«
    Die Sekretärin verdrehte die Augen, sprang auf und meldete Marko dem Direktor. »Ein schrecklicher Mensch«, sagte sie und drückte ihr Taschentuch vor das Näschen.
    Oblomows Neugier war erwacht. »Herein mit ihm«, rief er.
    Marko kümmerte sich nicht um den Eindruck, den er zunächst hinterließ, – er war damit groß geworden. Oblomow staunte ehrlich, daß so ein Exemplar heiraten wollte, und freute sich schon auf die Braut. Entweder ist sie blind oder pervers, dachte er vergnügt.
    »Sie sind verliebt?« sagte Oblomow und rieb die Hände. »Sie wollen heiraten? Viele Kinderchen bekommen, die alle so aussehen wie Sie? Welch ein löbliches Vorhaben! Setzen Sie sich, Genosse. Wir tragen gleich Ihre Meldung ein.«
    Marko blieb stehen und überlegte. »Ich will nicht heiraten«, sagte Marko höflich.
    »Nicht? Dann sind Sie durch die falsche Tür gekommen.«
    »Ich möchte eine Stellung.«
    Oblomow schob die Unterlippe vor, dachte an seine Brautpaare und schloß entsetzt die Augen.
    »Arbeit …?« fragte er gedehnt. »Was denken Sie sich, Genosse?«
    »Ich nehme jedes Ding in die Hand«, sagte Marko.
    »Bloß das nicht.« Oblomow wehrte mit beiden Händen ab. »Woher wissen Sie, daß Wassja erkrankt ist?«
    »Ich kenne Ihren Wassja nicht, Genosse.«
    »Ein fleißiger Mensch.« Oblomow lehnte sich zurück. Bei näherem Gespräch gewann der Zwerg. Seine Stimme war gut, und beim Teufel, sie machte ihn interessant. »Immer bereit für jede Arbeit. Nie eine Klage, die Freundlichkeit in Person. Und heute plötzlich schickt er seinen ältesten Sohn und läßt sagen: ›Ich komme nicht.‹ Seit neun Jahren zum erstenmal: Ich komme nicht. Was hat er, der gute Wassja? Eine Darmgrippe! Nein so etwas! Das zermürbt und läßt keine Gedanken mehr übrig für glückliche Brautpaare. Aber wie stehe ich da? Ohne einen Arrangeur? Sollen die Menschen drei Wochen lang heiraten wie die Karnickel? Ruck, zuck ins Bett und ab die Post?! Wer den Bund fürs Leben schließt, will Feierlichkeit, Musik und Blumen. Das war Wassjas Aufgabe, und nun liegt er herum und füllt Eimer …«
    »Ich könnte das auch, Genosse«, sagte Marko, nachdem

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