Heiß wie der Steppenwind
gefürchteter Mann, denn sein »Arbeitsfähig!« bedeutete Qual vom Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Bei den Weibern war er sehr beliebt, bei den jungen, versteht sich. Wer am besten mit dem Hintern wackeln konnte, wurde zu einer Untersuchung ins Krankenhaus bestellt. Dort blieb sie dann einige Tage, wurde gefüttert, von Wyntok wie eine wilde Stute beritten und kehrte mit der Hoffnung ins Lager zurück, nun ein Kind zu bekommen.
So einer also war Nikolai Michailowitsch. Er sprang auf, breitete die Arme weit aus und machte Anstalten, Dunja an sich zu reißen.
»Welch ein Glanz!« schrie er, und der junge, verschämte Kutjukow schabte einige böse Dissonanzen auf seiner Balalaika. »Freunde, die Genossen in Moskau haben doch ein Herz mit uns im After der Welt Vegetierenden: Sie schicken uns ein Stückchen Sonne!«
»Beachten Sie ihn nicht, Dunja Dimitrowna«, sagte Dobronin und schob sich zwischen Wyntok und sie. »Er muß seinem Ruf als Frauenheld nachkommen, das ist alles.« Er hob die rechte Hand. Mit seiner hellen Stimme klang das eher wie ein Kichern.
»Begrüßen wir unsere neue Kollegin. Hoch die Gläser!« Und zu Dunja gewandt: »Meine Liebe, es ist ganz gleich, wo wir leben, wenn wir nur leben! Das ist ein einfacher Satz, aber er enthält die ganze Philosophie unseres verfluchten Daseins. Lassen Sie mich Sie umarmen.«
Er zog die verblüffte Dunja an sich, küßte sie auf beide Wangen und reichte sie an die anderen weiter. Zuerst küßten die Ärztinnen, dann stand Kutjukow vor ihr, machte eine leichte Verbeugung wie ein verschämter Jüngling in einer Tanzstunde, umfaßte fast scheu ihre Schultern und hauchte seine Begrüßung über ihre Wangen. Anders der große Wyntok. Er griff zu, riß sie an sich, legte seine linke Hand breit über Dunjas Brust und ließ die rechte auf ihr Gesäß klatschen. Die anderen lachten, selbst Dobronin, denn man kannte ja Wyntoks Scherze.
»Sie haben kein Benehmen, Genosse«, sagte Dunja mit einer Kühle, die wie ein ernüchternder Wasserguß wirkte. Dann schlug sie zu, mitten in das etwas hochmütige Gesicht Wyntoks hinein. Ein verdammter Schlag. Rätselhaft, wie ein so zartes Frauchen wie Dunja plötzlich zu solch einer Kraft kommt. Mit dem Daumen traf sie sogar die Nase, und sofort quoll Blut aus den Löchern und rann Wyntok über den Mund. Erstaunt hüpfte er ein paar Schritte zurück, drückte den Kopf in den Nacken und lehnte sich gegen die Wand.
»So etwas«, sagte er überrascht. »Nein, so etwas! Haben Sie das gesehen, Dobronin? Jetzt fängt sie an, mich zu erschlagen. Man sollte sie außerhalb der Dienstzeit in Fesseln legen …«
Die anderen Ärzte grinsten verlegen, hielten Abstand von Dunja, deuteten ihre Begrüßungsküsse nur an und hoben dann die Gläser mit dem wasserhellen Wodka.
»Willkommen!« rief Dobronin. Ein Unterton war in seiner Stimme, der nicht zu der gespielten Fröhlichkeit paßte. Wyntok drückte ein Taschentuch auf seine mißhandelte Nase, eine junge Ärztin mit breiten Backenknochen und dicken Brüsten bemühte sich um ihn, streichelte ihm über die struppigen Haare und schielte Dunja böse an.
»Nach dieser Schockbehandlung der Libido unseres Kollegen Nikolai Michailowitsch können wir von einer Zusammenarbeit mit Dunja Dimitrowna noch allerhand erwarten.«
Es wurde ein fröhlicher Abend. O Genossen, es wurde sogar ein tollwütiger Abend. Kutjukow spielte auf der Balalaika wilde Tänze, Anna Stepanowna tanzte mit dem Arzt Iwan Iwanowitsch Semjew, fiel dann mit ihm auf ihr Bett und kreischte im Alkoholdunst wie eine Kreissäge, zog den Rock hoch und riß an Semjews Hose. Der große Wyntok hatte längst seine kleine, dickliche Kollegin, die ihm bis zum Stillstand der Blutung immer wieder die Nase abeputzt hatte, auf seinen Schoß gezogen. Und da war noch eine dritte Ärztin, eine zierliche Mongolin, die ihre ebenholzschwarzen Haare zu langen Zöpfen geflochten hatte und mit der sich Dobronin beschäftigte, als hole er sein Praktikum in Anatomie nach. Die anderen Ärzte tranken wie durchlöcherte Eimer. Einer nach dem anderen fiel nachher um, rutschte auf den Boden, streckte sich und schlief ein. Auch die kleine, pralle Ärztin versank in ihrer Trunkenheit … Wyntok trug sie zum Bett, wo die Stepanowna mit dem gräßlich schnarchenden Semjew lag, warf sie einfach dem besinnungslosen Semjew aufs Kreuz und wandte sich Dunja zu.
»Da liegen sie herum«, sagte Nikolai Michailowitsch und schlug elegant die Beine übereinander. Er
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