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Heiß wie der Steppenwind

Heiß wie der Steppenwind

Titel: Heiß wie der Steppenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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waren.
    Kurz vor Minsk wachte Pjetkin auf. Die Morgensonne leuchtete bleich in die Beresina. Auf dem Gang sah er den Schaffner stehen, unrasiert, aber fröhlich. »War ein bißchen viel, Genosse, was?« fragte er.
    »Wie lange habe ich geschlafen?«
    »Bis zum nächsten Morgen. Wir haben jetzt Morgen. Gleich kommt Minsk.«
    »Minsk.« Pjetkin schwankte zur Toilette, wusch sich dort, starrte sein Bild im Spiegel an und fand, daß so und nicht anders ein Mann aussehen muß, dem Gestern und Morgen abhanden gekommen waren.
    Im Speisewagen trank er Tee, dann aß er zwei Hörnchen mit Butter und lernte die anderen Reisenden kennen. Die 1.-Klasse-Fahrer.
    Für die anderen war der Speisewagen zu teuer … sie führten in Taschen und Körben ihre Verpflegung mit und machten aus ihrem Abteil eine Bauernstube.
    Die Tische waren numeriert. An Tisch 1 saß ein sowjetischer Oberst, an 2 eine dunkelhäutige Frau mit zwei Männern, sicherlich eine Delegation irgendeines Landes, Tisch 3 war von Chinesen umlagert, Tisch 4 war leer, an Tisch 5 saß Pjetkin, Tisch 6 hatte ein Künstler okkupiert, ein Pianist, denn er hatte vor sich einige Notenblätter aufgeschlagen und hämmerte mit den Fingern rhythmisch auf der Tischplatte. Der Kellner beugte sich tief über Pjetkin. »In Minsk wieder Wodka?« flüsterte er ihm ins Ohr.
    Pjetkin schüttelte den Kopf. »Nein. Er hilft nicht. Das Erwachen ist noch schlimmer.«
    Da Pjetkin glaubte, alle stierten ihn an, verließ er schnell wieder den Speisewagen. Natürlich kümmerte sich keiner um ihn … und wieder brach der Zwiespalt auf. Ist denn keiner da, der zu mir sagt: »Das darfst du nicht! Das ist verboten! Keine Widerrede, halt den Mund!«
    In Minsk stieg er aus dem Zug, wanderte den Bahnsteig entlang, blieb stehen, sah sich um, ob ihm jemand folgte … aber da war niemand. Er war ja frei. Er kaufte eine Zeitung, zerriß sie und warf sie mitten auf den Bahnsteig. Jetzt muß jemand kommen, dachte er. Herrgott im Himmel, ich vermisse den Zwang.
    Aber es kam nur ein alter Mann mit einem Sack, hob die zerfetzte Zeitung auf und steckte sie in den Beutel. Dabei sah er Pjetkin strafend an … und Pjetkin war glücklich, wenigstens diesen bekannten Blick aufgefangen zu haben. Ob es Marko auch so ergeht, dachte er. Natürlich nicht – er kann jederzeit nach Rußland zurück. Welch ein glücklicher Mensch …
    Und der Zug ratterte weiter. Nach Westen. Wälder, Flachland, Sumpfgebiet, Menschenleere. Baranowitschi. Die Lok nahm Wasser auf. Pjetkin hätte schreien können vor Einsamkeit. Niemand kümmerte sich um ihn. Er ging zurück in sein Abteil, aß ein Stück von Starobins Dauerwurst und dachte an die Trendelenburgsche Operation. Das beschäftigte ihn eine Zeitlang, dann dämmerte er vor sich hin.
    Am Abend hielt der Zug in Brest-Litowsk. Grenzstation. Jetzt übernahmen die Polen den Expreß. Der Schaffner und der Kellner kamen zu Pjetkin ins Abteil und verabschiedeten sich. »Vielleicht kommen Sie doch wieder zurück, Genosse«, sagte der Schaffner.
    »Vielleicht. Leben Sie wohl …«
    Pjetkin war leer wie ein ausgeblasenes Ei. Wenn der Zug weiterfährt, habe ich Rußland verlassen. Das Tor fällt zu. Ich werde es mit Fäusten und Zähnen nicht mehr aufbrechen können. Nur als Werkzeug des KGB … da führt immer ein Tunnel durchs Dunkel.
    Er wollte auf den Gang, um den Bahnhof besser überblicken zu können, als zwei sowjetische Offiziere einstiegen und ihn musternd ansahen. Ein Kapitän und ein Leutnant. Ihre Uniformen entzückten Pjetkin … sie waren Heimat.
    »Igor Antonowitsch?« fragte der Kapitän und grüßte.
    Pjetkins Herz zuckte vor Freude. »Ja, der bin ich. Kommen Sie herein, Genossen.« Er trat in sein Abteil und zeigte auf die Sitze. »Wenn Sie Platz nehmen wollen –«
    »Es ist nur eine kurze Amtshandlung.« Der Kapitän sprach sehr dienstlich, für Pjetkin war es wie Musik. »Ihre sowjetischen Papiere, bitte.«
    Pjetkin holte sie aus der Anzugjacke … den Paß, das besondere Ausweispapier des Innenministeriums, den Reiseschein. Der Kapitän sah sie genau durch. »Ihre deutschen Papiere?«
    »Bitte.«
    »Hans Kramer aus Königsberg?«
    »Igor Antonowitsch Pjetkin.«
    »Bis hierher.« Der Hauptmann nahm die sowjetischen Papiere in beide Hände und zerriß sie so schnell, daß Pjetkin ihm nicht mehr in den Arm fallen konnte. »Wir wünschen eine gute Heimfahrt, gospodin Kramer …«
    Er grüßte wieder und verließ mit dem Leutnant das Abteil. Pjetkin schwankte, hielt sich an der

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