Heiß wie der Steppenwind
äußerst selten war, aber hier gab es wirklich nichts zu lügen … von einem Offizier hatte keiner etwas gesehen. Das war wahr, so sicher, wie ein Stein im Fluß versinkt. Sadowjew fragte niemand. Als Dorfsowjet schien er über jedem Verdacht zu stehen, außerdem ließ er den Offizieren keine Zeit, sich um ihn zu kümmern. Der Fleißige ist immer angesehen – nach diesem Spruch entfachte er einen Wirbelwind in Issakowa. Er hißte auf dem Parteihaus die Fahne, ließ von Schmulnoff, einem schieläugigen Pferdehändler, der einmal als Kosak gedient hatte, zum Sammeln blasen, das berühmte Signal »Zur Attacke fällt die Lanzen!« was hier jeder verstand und sofort zum Parteibüro rannte, und hielt eine Rede wie zum Jahrestag der Oktoberrevolution.
»Ein Offizier ist in unserer Gegend verschwunden!« sagte er und blinzelte über die Köpfe seiner Dorfbewohner. »Ein guter, fleißiger, tapferer Offizier. Ich frage euch: Kann ein Mensch einfach verschwinden? So etwas gibt es nicht. Und weil es so etwas nicht gibt, suchen wir. Laßt keinen Winkel aus, Genossen! Es muß uns eine Ehre sein, den Offizier zu finden!« Ganz natürlich, daß kein Soldat den fleißigen Sadowjew verhörte.
Mit drei anderen Offizieren und vier Suchhunden – Gott verfluche sie, sie schnupperten an einem Handschuh des Toten, bellten, wedelten mit den Schwänzen und jaulten wie vor einem geschossenen Hasen – suchte er das Flußufer ab und erstarrte, als die Hunde an seinen Kahn liefen und ihn unruhig umkreisten. Ich habe ihn ausgewaschen, dachte Sadowjew. Sie können ihn nicht riechen. Kuhmist habe ich über die Bordwand geschmiert. Riecht ein sowjetischer Offizier nach Mist? Die Hunde rannten weiter, am Amur entlang, mit hechelndem Atem und lang heraushängender Zunge.
»Dumme Viecher sind sie!« schrie einer der Führsoldaten, als sie statt des Verschwundenen die Spur eines harmlosen Igels aufnahmen und davonsausten, bis sie ihn unter einem Holzstapel entdeckt hatten.
»Man sollte sie kastrieren, diese vierbeinigen Idioten!« Er schlug auf die heulenden Hunde ein, und Sadowjew brach die Suche am Ufer ab.
»Nichts«, sagte er mit großem Bedauern. »Ist es möglich, daß der Genosse hinüber nach China gerudert ist?«
»Ein Kapitän der Armee?« fragte ein Major konsterniert zurück.
»Es gibt Ausnahmen, Genosse. Der eine brät das Fleisch überm Feuer, der andere legt's unter den Sattel und reitet es gar. Die Ausnahme dagegen ißt nur rohe Gurken. Wer kennt die Menschen genau?«
Und siehe da … Nach der Mittagspause, in der Sadowjew im Parteihaus beraten hatte und alle um einen Kessel von Kascha saßen, den Anna und drei andere Frauen gekocht hatten, meldete sich Schmulnoff, der Schieler. Plötzlich ertönte abseits des Dorfes, vielleicht fünfhundert Meter entfernt, das Signal »Alles sammeln!«, Schmulnoff, das verbogene alte Signalhorn in beiden Händen, hüpfte den Zusammenströmenden entgegen und brüllte schon von weitem: »Mein Boot ist weg! Mein schönes Boot! Genossen, ihr habt es gekannt! Es war das schönste Boot! Gelb und grün war's gestrichen … und nun fehlt es. Der Strick ist durchgeschnitten. Der Satan drehe dem Dieb den Hals auf den Rücken!«
Die Lage bedurfte keiner weiteren Erklärungen … die Offiziere untersuchten genau den Strick und kamen zu keinem anderen Ergebnis als der wütend herumtanzende Schmulnoff.
»Mit meinem Boot nach China!« schrie Schmulnoff und schwankte vor Erschütterung. »Mit dem grün-gelb gestrichenen Boot eines guten Kommunisten und Patrioten nach China! Mein Herz, Freunde, mein Herz zerbricht!«
Die Suche wurde eingestellt, ein Bericht nach Chabarowsk zum Generalkommando geschrieben. Eine ungeheuerliche Sache: Kapitän Kasankow desertierte nach China. »Wir werden ihn für geisteskrank erklären«, sagte der General in Chabarowsk. Der Oberarzt und zwei andere Militärärzte standen ihm gegenüber und nickten im gleichen Rhythmus. »Das ist die einzige Entschuldigung, die Moskau annimmt.« So wurde Kapitän Kasankow zum Idioten erklärt. Zu einem Schwermütigen, den man schon seit langem beobachtet hatte. Die Akten wurden geschlossen.
Das alles erzählte Dunja am Telefon, und Pjetkin lauschte ihrer hellen Stimme mit der Verzückung aller Verliebten.
»Wann sehe ich dich wieder?« fragte sie. Ihre Stimme klang, als wenn sie sich dabei entkleidete. Über Pjetkins Rücken lief ein Schauer.
»So schnell ich kann, Dunjuschka. Jede Nacht ist ein Traum von dir.«
»Ich gehe durch den
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