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Heiß wie der Steppenwind

Heiß wie der Steppenwind

Titel: Heiß wie der Steppenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nach seinen Schienbeinen und hieb mit den Fäusten nach seinem Kopf. Er wehrte sie ab und verließ sein Zimmer. Mit einem Jeep der Kommandantur fuhr er nach Blagowjeschtschensk.
    Im Lager aber herrschte das Grauen.
    Die Dussowa machte, wie gewünscht, die Nachmittagsvisite. Sie räumte alle Krankenzimmer. Sie warf die Männer aus ihren Betten. Mit der Peitsche rannte sie von Zimmer zu Zimmer, riß die Decken von den Körpern, schlug einmal quer über die Leiber und schrie: »Arbeitsfähig! Hinaus!«
    In kurzen Hemden, nackt, so, wie sie gerade waren, schwankten die Kranken hinaus und standen an der Wand der Steinbaracke in der roten Sonne. Selbst die Frischoperierten ließ die Dussowa hinausbringen, stellte die Tragen in den Sand und kämmte dann die Baracken durch, wo die Ambulanten auf den Holzpritschen hockten. Hier sagte sie gar nichts … wie ein eisiger Wind fegte sie durch die Bettreihen, drosch mit der Peitsche auf die Körper, trieb die Männer vor sich her wie junge Hunde und zeigte auf den großen Appellplatz. »Sammeln! Alle dorthin! Hurensöhne ihr alle!«
    Nach ihrem Rundlauf durch das Lager kehrte sie zum Krankenhaus zurück und stampfte mit knarrenden Stiefeln durch die leeren Zimmer. Und dann lachte sie, ließ die Peitsche auf die leeren Betten klatschen, zerschlug die Glühbirnen in den einfachen Schirmlampen, und lachte, lachte mit einem so metallischen Ton, daß Russlan seine Abneigung gegen Marko überwand, zu ihm rannte und sich zitternd neben ihn setzte.
    »Sie ist wahnsinnig geworden«, flüsterte er.

V IERZEHNTES K APITEL
    Da hat man ein großes, festliches Haus gebaut, mit einem prunkvollen Saal und vielen Nebenzimmern, ein großer Schreibtisch steht auf dem funkelnden Marmorboden, wertvolle Lampen glitzern an den Decken, an den Wänden hängen Lenin und Marx und an einem dritten Nagel der Genosse, der gegenwärtig im Kreml den Kurs des Volkes bestimmt, mal war es Stalin, dann Malenkow, dann Chruschtschow, es ändert sich immer und der Nagel ist schon ganz blank gewetzt vom vielen Bilderschieben, Kübel mit Lorbeerbäumen stehen neben dem Schreibtisch, und der Beamte, der an der Reihe ist, junge Paare zu trauen, hat seine Rede vorzüglich eingeübt und beherrscht sie im Schlaf. Er muß das auch, denn in solch einem Heiratspalast – in jeder großen Stadt gibt es ihn – werden die Ehepaare am Fließband hinausgespuckt ins tägliche, nach kurzer Zeit gar nicht mehr honigsüße Leben. Ganz einfach ist das Heiraten. Man liebt ein Mädchen, ist sich mit den Eltern einig, was eigentlich immer am längsten dauert, und sagt: »Leute, morgen heiraten wir!« Dann geht man zum Heiratspalast, trägt einem müden Beamten sein Anliegen vor, bekommt eine Uhrzeit genannt, wird in ein dickes Buch eingetragen, das Heiratsregister, und ist eigentlich schon ein halber Ehemann, wenn man wieder auf der Straße steht.
    Pjetkin ließ sich bei dem Leiter melden, einem Genossen Sulukow. Der war sehr erstaunt, daß ein Arzt ihn sprechen wollte, denn er fühlte sich nicht krank. Als man ihm sagte, es sei sogar ein Arzt vom Straflager Sergejewka, wurde er unruhig und begann leicht zu schwitzen. Er empfing Pjetkin besonders höflich, trug ein Gläschen georgischen Kognaks auf und beruhigte sich schnell, als er erfuhr, daß der Arzt nur heiraten wollte.
    »Sie tun recht, zu mir zu kommen und nicht zu einem meiner untergeordneten Beamten«, sagte Sulukow geschäftig und schlug ein Notizbuch auf. »Sie sind als Lagerarzt Staatsbeamter. Und dazu noch im Rechtsstatus eines Offiziers. Wenn Sie heiraten wollen, genügt also nicht eine einfache Willenserklärung, sondern das Einverständnis Ihrer vorgesetzten Behörde. Eine Formsache, weiter nichts. Wären Sie Eisendreher, wäre das einfacher. Aber ein Arzt im Offiziersrang … ich bitte Sie! Der Stolz des sowjetischen Volkes! Da betrachten wir uns die Bräute.«
    »Im Bolschewismus sind alle Menschen gleich«, sagte Pjetkin leichthin.
    Sulukow sah ihn verblüfft an, schluckte und senkte die Augen. So einer ist er, dachte er enttäuscht. Man muß ihn anfassen mit Handschuhen und jedem seiner klugen Sätze Beifall klatschen. Das ist die sicherste Methode, ihn schnell abzuwimmeln. Er setzte sich zurecht und lächelte Pjetkin familiär an.
    »Sie haben Ihren Paß bei sich, Genosse?«
    »Bitte.« Pjetkin legte ihn auf den Tisch, Sulukow studierte ihn und stutzte verhalten.
    Geburtsort Königsberg? Liegt das nicht in Deutschland? Früher, Brüderchen, vor dem großen Sieg der

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