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Heiß wie der Steppenwind

Heiß wie der Steppenwind

Titel: Heiß wie der Steppenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mich!« Sadowjew wurde unsicher. »Woher die Ehre?«
    Der Mann aus Chabarowsk schob einen kleinen Ausweis über den Tisch, Sadowjew warf einen Blick darauf und kroch in sich zusammen. KGB. Der Himmel bleibe hell!
    »Sie haben ein Anliegen, Genosse Oberleutnant?« fragte Sadowjew mit plötzlich schwerer Zunge. »Hängt es mit dem Verschwinden des Kapitäns Kasankow zusammen? Ein tragischer Fall. Rudert über den Amur zu den Chinesen! Was ein krankes Gehirn alles ersinnen kann …«
    »Es geht um Dr. Pjetkin«, sagte der Mann aus Chabarowsk. »Sie kennen ihn?«
    »Wie werde ich meinen Schwiegersohn nicht kennen?« Sadowjew spürte Unangenehmes. Hab' ich es nicht gesagt, dachte er im stillen. Es gibt Schwierigkeiten. Ein Lagerarzt! Vielleicht ist er selbst ein Deportierter und hat's bisher verschwiegen. Mein armes Vögelchen, meine bemitleidenswerte Dunjenka. Er beugte sich über den Tisch. »Was ist mit Igor Antonowitsch?«
    »Er hat einen Heiratsantrag gestellt.«
    »So ist es. Dunjenka näht schon am Brautkleid, und Annenka, das ist mein Weib, läuft herum wie ein verirrtes Huhn. Sie kennen das ja, Genosse Oberleutnant … die Weiber verlieren den Verstand, wenn es gilt, einen Mann für immer einzufangen. Haha!« Es sollte lustig klingen, aber das Lachen stak Sadowjew im Hals wie eine Gräte. Er beschloß, von nun an nur noch amtlich zu sein. Dokumente des KGB sind etwas Abscheuliches … er hatte das zwar noch nie erlebt, aber man erzählte sich Wunderdinge davon.
    »Wir haben ein Interesse daran, daß diese Ehe nicht zustandekommt«, sagte Plumow mit der Gleichgültigkeit eines Pferdekäufers, der den Preis drücken will.
    »Aber sie lieben sich«, rief Sadowjew. »Was soll man machen? Als Vater ist man da machtlos, und auch die Behörde wird zwei Herzen nicht um hundertachtzig Grad drehen können.«
    »Sie kann es«, sagte Plumow orakelhaft. »Sie kann alles, die Behörde. Liebe ist eine emotionale Angelegenheit. Staatsinteresse ist etwas Reales. Was, Genosse, ist stärker?«
    »Das ist ein schweres Rätsel.« Sadowjew kratzte sich den Kopf und zog die Bartspitzen durch die Finger. »Fragen Sie ein Weib danach, ist die Antwort klar. Aber wir sind Männer. Also, Genosse, was liegt gegen Igor Antonowitsch vor?«
    Plumow tippte mit dem Zeigefinger auf eines der Papiere. Sadowjew sah, daß es mit vielen Stempeln bedeckt war und daher einen langen Laufweg hinter sich hatte. »Er ist ein guter Kommunist, ein vorzüglicher Arzt, ein ehrlicher Mensch, ein vorbildlicher Organisator, er ist genau das, was wir hier in Sibirien, im Neuen Land, brauchen.«
    »Welch ein herrliches Bild! Man könnte es als neue Ikone an die Wand hängen!« rief Sadowjew begeistert. »Aber warum darf er dann meine Dunjenka nicht heiraten?«
    »Pjetkin hat einen kleinen, aber entscheidenden Fehler, er ist Deutscher.«
    Vor jedem Taifun treibt eine Windstille über das Land, ein Vakuum, in das dann der Sturm stößt. Ein Mensch spürt es kaum, aber die Tiere begreifen es und benehmen sich wie betrunken. Sadowjew, geboren und aufgewachsen in der Taiga und mit den Tieren fast brüderlich verbunden, zog den Kopf zwischen die Schultern, schloß die Augen bis auf einen Schlitz und legte beide Hände über den Kopf, als falle der Himmel auf ihn. »Ein Deutscher …«, sagte er dumpf. »Ein … Genosse Plumow, das muß ein Irrtum sein! Sein Vater ist der Kriegsheld Oberst Anton Wassiljewitsch Pjetkin, ich weiß das ganz genau. Träger der Tapferkeitsmedaille und des Ehrenzeichens der Partei. Sie müssen eine falsche Karteikarte herausgezogen haben. Igorenka ist Russe wie Sie und ich. Er ist sogar in einer Staatsschule erzogen worden.«
    »Er ist Deutscher. Lesen Sie, Genosse Sadowjew. Es ist eine verworrene Geschichte. Man hat damals, 1945, eine Reihe von Fehlern gemacht und sie nicht berichtigt. Das Chaos des Krieges, vieles war da möglich. Heute haben wir die Pflicht, Überbleibsel aus diesen rechtlosen Tagen auszumerzen.«
    Sadowjew vertiefte sich in die Papiere. Was er da las, war schwer zu begreifen, aber soviel begriff er doch, daß Igor Antonowitsch Pjetkin das Kind von deutschen Eltern war und von dem damaligen Kapitän Pjetkin gefunden und dann adoptiert wurde.
    »Es ist nicht zu leugnen«, sagte Sadowjew und schob die Papiere zu Plumow zurück. Sein gelbliches Gesicht war noch dunkler geworden. Er spürte sein Herz hämmern, dachte an seine Tochter und hätte heulen können. »Weiß er das überhaupt selbst?«
    »Mit sieben Jahren kann man sich

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