Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heiß wie der Steppenwind

Heiß wie der Steppenwind

Titel: Heiß wie der Steppenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Weg. Ich fahre zu Dunja, und wir werden heiraten.«
    »Ohne Paß traut Sie sogar kein Blinder. Sie können Dunja ein Kind machen, das ist alles.« Plumow trat aus dem Weg und gab die Tür frei. »Rennen Sie los, Igor Antonowitsch … Moskau ist siebentausend Kilometer entfernt … Sie werden stabile Beine brauchen …«
    In dieser Nacht kehrte Pjetkin nicht ins Lager zurück, aber auch die Dussowa wurde nicht tätig. Auch für sie war die Welt aus den Fugen geraten. Sie saß in ihrem Zimmer, wartete auf einen Rückruf aus Moskau und betrank sich mit billigem Knollenschnaps, als Moskau schwieg. Ihre einzige Verbindung versagte … Timofeij Alexandrowitsch, der Onkel, der Bruder ihrer Mutter, ein Mitglied des Obersten Sowjets, zog die Decke über den Kopf. Protektion macht das halbe Leben in Rußland aus … aber auch sie hat Grenzen in den Grundsätzlichkeiten.
    Pjetkin, Dunja, Anna und Sadowjew saßen die ganze Nacht auf und berieten. Sie beschlossen, das Wahnwitzigste zu unternehmen: Den Kampf gegen das Gesetz.
    »Der gesunde Menschenverstand muß siegen!« sagte Pjetkin. »Vertrauen wir darauf.«
    In den nächsten Tagen entwickelte sich eine rege Tätigkeit. Das KGB in Chabarowsk schickte einen Bericht nach Moskau, daß der Genosse Pjetkin aufsässig sei und trotz eingehender Ermahnungen doch die Ärztin Dunja Dimitrowna heiraten wolle. Die Distriktverwaltung der Straflager legte einen Tatbericht vor über eine revolutionäre Bewegung, die der Arzt Dr. Pjetkin in Sergejewka angezettelt habe. Die Lagerärztin, Kapitän Dussowa, beschwerte sich über Mißstände, die schon seit zwanzig Jahren bekannt seien, die aber keiner bisher angeprangert hatte. Der Lagerarzt Dr. Pjetkin bombardierte gleich mehrmals die Behörden: Mit Berichten über die miserable ärztliche Versorgung des Lagers (siehe Dussowa), seine Gegenmaßnahmen (siehe Bericht der Lagerleitung) und über die Unfreiheit, nicht heiraten zu dürfen, wen er wolle. Und das in einem ›angeblich freien‹ Staat.
    Solange es Briefe waren, konnte man sie wegwerfen und sich um anderes kümmern … aber die Lage wurde kritisch, als der Oberst Anton Wassiljewitsch Pjetkin, der Held des Großen Vaterländischen Krieges, Stalingradkämpfer und Berlineroberer, in Moskau auftauchte und durch die Dienstzimmer fegte wie ein Sandsturm.
    Anton Wassiljewitsch hatte keine Stunde gezögert, als ihm sein Söhnchen aus dem fernen Sibirien sein Schicksal schilderte. Es war ein langer Brief, per Eilboten geschickt, Pjetkin hatte ihn mit wütenden Lauten gelesen, war dann aufgesprungen, hatte einen kleinen Koffer gepackt, beim Bahnhof angerufen, wie die beste Verbindung nach Moskau sei, und in der Nacht abgefahren.
    Er hielt sich in Moskau nicht mit der Suche nach einem Hotelzimmer auf, zur Not konnte er im Offiziersheim der Militärakademie schlafen, sondern fuhr vom Bahnhof direkt in die Dienststelle des Marschalls Ronowskij. Ronowskij war ein Greis geworden, still, von einer fremden Aristokratie, die so fehl am Platze war wie Rotz auf einer Seidentapete. Er trug die Uniform mehr aus Tradition, denn aus Notwendigkeit, denn seine Funktionen waren mehr repräsentativer Art, er wurde ausgestellt bei Paraden, seine voller Orden glänzende Brust war ein Prachtstück bei Staatsempfängen, und damit er nicht ganz in der Ecke saß und auf einen Auftritt wartete, hatte man ihm das Amt der Schulungskontrolle gegeben. Es bestand darin, daß er ab und zu in der Akademie erschien, die Lehrgänge kontrollierte, hier und da sagte, man hätte dies und jenes anders ausdrücken können, und dann zurückfuhr in seine Dienststelle, Zeitungen las und Riesenportionen von Kaffee trank.
    Ronowskij empfing Pjetkin wie einen Sohn, küßte ihn auf beide Wangen, ließ Wodka kommen und freute sich wie ein Kind, daß es seinem Lieblingsschüler so gut ging. Pjetkin hatte für diesen Besuch seine Uniform angezogen … sie war ihm ein wenig eng geworden um Bauch und Brust, aber sie zwang ihn dadurch, besonders stramm zu gehen und zu sitzen, ein Vorbild für die Kadetten, wenn welche in der Nähe gewesen wären.
    »Antonenka, mein Kleiner …«, sagte Ronowskij zärtlich. Für ihn blieb Pjetkin immer noch der Kleine, obwohl er fünfundfünfzig war und weiße Haare hatte wie Ronowskij. »Daß du endlich den Weg nach Moskau gefunden hast! Morgen stelle ich dich dem Generalstab vor. Wie oft habe ich von dir gesprochen. Der Pjetkin, habe ich gesagt, und seine Kompanie von Scharfschützen und Nahkämpfern, das war eine

Weitere Kostenlose Bücher