Heiß wie der Steppenwind
Tonbänder ab, meistens Märsche und fröhliche Lieder, räumte die Legenester aus (hier gab es noch keine engen Einzelställe, aus denen die Eierchen in eine Rinne rollten), kontrollierte die Hühner, ob sie legebereit waren, indem er ihnen unter den Schwanz griff und den Eileiter drückte, wirklich, er tat alles, was möglich war … aber die Norm erfüllte er nicht.
»Wie kann ich das auch?« klagte er, als ein Kontrolleur erschien und um Auskunft heischte. »An den Hähnen liegt es. Faul sind sie, verfressen und dick, liegen in der Sonne und kümmern sich einen Dreck um die Hennen. Wie kann man einen Hühnerhof unterhalten, wenn die Hälfte der Hähne impotent ist? Soll ich die Hühner etwa selbst bespringen, he?«
Der Kontrolleur verschwand schnell wieder, nachdem er Marko ein Schwein genannt hatte. Aber man zog ihm nichts vom ersten Wochenlohn ab. Das war ein voller Erfolg.
»Ich überlege, wie man die Hähne zum Fleiß anregen kann«, sagte Marko jetzt zu Pjetkin.
Pjetkin lachte. Er legte den Arm um die breite Schulter des Zwerges und fühlte sich irgendwie zu Hause. »Komm mich jede Woche besuchen, Marko«, sagte er. »Ich werde dafür sorgen, daß sie dich zu mir durchlassen. Hast du von Dunja etwas gehört?«
»Nichts, mein Söhnchen.«
Das war merkwürdig und doch erklärbar. Gleich nach seiner Ankunft hatte Pjetkin aus Chelinograd an Dunja geschrieben. Und auch Dunja hatte einen langen Brief nach Chelinograd geschickt. Aber die Post zwischen Irkutsk und Kasakstan schien nicht durchorganisiert zu sein … die Briefe gingen verloren. Offiziell. In Wirklichkeit landeten sie in der KGB-Zentrale von Irkutsk und wurden dort zu den Akten gelegt. Nur Sadowjews Post kam an … von ihr machte man eine Fotokopie und verschloß dann die Umschläge so gut, daß niemand die Kontrolle erkennen konnte. Es sind eben Fachleute, Genossen Künstler auf ihrem Gebiet.
Mit der jungen Ärztin Sinaida Nikolajewna Swesda kam Pjetkin zweimal am Tag zusammen, wenn er die Wachstation, die Frischoperierten, kontrollierte. Sie verrichtete ihre Arbeit genau und gewissenhaft, mit einem Gespür für kommende Komplikationen und mit dem Mut für schnelles Handeln. Ein paarmal lobte Pjetkin sie … Sinaida dankte es ihm mit einem strahlenden Lächeln und einer Lockung ihrer dunkelbraunen Augen. Es geschah auch, daß sie ihn wie unbeabsichtigt berührte, einmal mit ihrer Hand, einmal mit den Spitzen ihrer Brüste, als sie sich über seine Schulter beugte, um ein Röntgenbild zu betrachten; einmal glitt sie auf dem gewachsten Boden aus und fiel in seine Arme und umklammerte ihn aus Angst, wie es schien, nicht nur mit den Händen, sondern auch mit den Beinen. So spürte er ihre Schenkel und die zwingende Kraft, die in ihnen verborgen lag. Pjetkin aber schien aus Stein zu sein. Es war möglich, daß er wirklich nichts merkte, vor allem nicht die Absicht solcher Berührungen … oder er hatte sich so vollkommen unter Kontrolle, daß Sinaidas Bemühungen leer liefen wie ein Mahlwerk ohne Korn.
Nach zehn Tagen klingelte bei Sinaida das Telefon. Sie zögerte, den Hörer abzunehmen, aber der Anrufer war hartnäckig.
»Schlafen Sie schon?« fragte eine männliche Stimme.
»Ich war gerade eingeschlafen, ja.«
»Wie geht es unserem Pjetkin, Sinaida Nikolajewna?«
»Er ist hart wie ein Fels, Genosse.«
»Felsen kann man sprengen. Sie haben Dynamit genug in sich. Versagen Sie nicht, Sinaida! Sie wissen, daß es Ihre Aufgabe ist, Pjetkin diese Dunja Dimitrowna vergessen zu lassen. Ist er ein so häßlicher Mensch, daß Sie so zögernd vorgehen?«
»Er ist ein wunderbarer Mann«, sagte Sinaida. Die Ehrlichkeit ihrer Begeisterung schwang in ihren Worten. »Ich habe mich in ihn verliebt, Genosse.«
»Und trotzdem liegen Sie noch nicht in seinem Bett?« Die Stimme des Mannes klang kalt. »Was hindert Sie daran?«
»Die Gelegenheit.« Sinaida kroch auf ihrem Bett an die Wand und lehnte sich an. »Ich hatte den Auftrag, Dr. Pjetkin auf mich aufmerksam zumachen und eine natürliche Entwicklung zu unterstützen. Das bedeutet, daß er nicht das Gefühl haben soll, überrumpelt zu werden. Er ist ein sehr kritischer Mensch.«
»Machen Sie sich nicht lächerlich, Sinaida Nikolajewna. Ausreden, nichts als Ausreden! Wir erwarten von Ihnen, daß Sie in spätestens zehn Tagen – das ist der letzte Termin – den Vollzug melden und die Geliebte Igor Antonowitschs sind.« Die Stimme bekam einen weicheren Klang, und Sinaida lauschte mit angehaltenem Atem.
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