Heiß wie der Steppenwind
nicht mehr den Ausgang durch den Mund, sondern verklinge in ihrem Inneren. Sie wußte, was jetzt in rasender Eile ihren Körper zerstörte, und die Angst sammelte alle Kräfte in ihr. Sie ließ sich aus dem Bett fallen und kroch, den angeschwollenen, zuckenden, brennenden Arm über den Boden schleifend, zur Tür, drückte sie auf und fiel hinaus auf den Flur. Dort blieb sie liegen, halb in ihrem Zimmer, preßte das Gesicht auf den Dielenboden und begann zu weinen.
Plötzlich waren die Schmerzen verflogen, Leichtigkeit ergriff ihren Körper, eine fremde Kraft hob ihn empor und ließ ihn unter den Sternen hinschweben wie eine zarte Wolke. Igor war da, er sagte etwas zu ihr, und dann zerplatzte Igor, weil der Strahl eines Sternes ihn zerschnitt, sie schrie und mußte doch ruhig weiterschweben, während Igor in blutigen Stücken auf die Erde regnete.
So fand Pjetkin sie, als er vom Park zurückkam. Mit ein paar Schritten war er bei ihr, hob sie auf und erschrak vor der Fieberglut ihrer Haut. Sinaida wie ein Kind auf den Armen tragend, rannte er zum Untersuchungszimmer und gab durch die verschreckt aus ihrem Zimmer stürzenden Nachtschwestern Alarm für alle Ärzte der chirurgischen Abteilung.
»Holen Sie Dr. Trebjoff aus dem Konzert!« schrie er, als der den Arm untersucht hatte. »Im Kulturpalast! Sofort! Was stehen Sie hier herum und glotzen mich an? Rufen Sie an!«
Der junge Arzt zögerte noch. Zum erstenmal sah er Pjetkin aufgeregt und außer Fassung, und das verwirrte ihn. Die anderen Ärzte hatten Sinaida ausgezogen und auf den Untersuchungstisch gelegt. Pjetkin fühlte den Puls. Er war klein, weich und stark beschleunigt.
»Temperatur einundvierzig sechs«, sagte ein junger Chirurg aus Alma-Ata. Pjetkin drückte den Bauch ab. Die Milz war riesig vergrößert. Ein anderer Arzt entnahm Sinaida Blut aus der Armvene und aus dem Handrücken und rannte mit den Proben zum Labor. Sinaidas Atem wurde schnell und oberflächlich. Neue Schüttelfröste durchrüttelten ihren Körper und warfen ihn hin und her. Die Haut wurde spröde, trocknete aus.
»Sofort zum septischen OP!« schrie Pjetkin. »Welch eine Schweinerei! Hat Sinaida mit keinem darüber gesprochen, daß sie sich verletzt hat? Schnell, schnell … das ist ein Wettlauf, Genossen!«
Es dauerte keine Viertelstunde, da war auch Dr. Trebjoff wieder im Krankenhaus. Ein Saaldiener hatte ihn diskret aus dem Konzert geholt, gerade an einer Stelle des Klavierkonzertes, die Trebjoff so liebte und wo er die Augen schloß, um nur die Musik und nicht seine Zeitgenossen um sich herum zu genießen.
Am Telefon hatte man Trebjoff nicht gesagt, was im Krankenhaus vorgefallen war, nur, daß es eilig sei. Nun, schon unten am Eingang schrie man ihm zu: »Sinaida Nikolajewna hat eine Sepsis!«
Trebjoff warf den Hut durch die Gegend, brüllte zwei Ärzte, die aus dem Labor rannten und gegen ihn stießen, wie ein gestochener Stier an und riß fast die Tür zum OP aus den Angeln.
Pjetkin, bereit zur Operation, nickte ihm zu. »Wundinfektion. Eine Staphylokokken-Sepsis. Eine Infektion durch Schnitt in den Finger. Ich wollte nichts tun ohne Ihren Rat, Awdeij Romanowitsch.«
Dr. Trebjoff beugte sich über die besinnungslose Sinaida Nikolajewna. Ihr Zustand war erschreckend, die Prognose wagte er nicht auszusprechen.
»Sie sind der Chefchirurg, Pjetkin«, sagte er heiser. »Tun Sie, was Sie müssen …« Dann betrachtete er Sinaida, schüttelte den Kopf und gab der Ohnmächtigen eine Ohrfeige. »Du dämliches Weibsbild!« schrie er. »Wolltest die Heilige spielen, was? Und jetzt, na, was jetzt? Jetzt wird man dich verstümmeln! Diesen herrlichen Körper verstümmeln. Pjetkin, worauf warten Sie?«
Es war eine grausame Operation. Zuerst schnitt Pjetkin ihr den Arm bis unter die Achsel auf, ließ das Blut aus der Wunde strömen. Aber bis zum Ellenbogen war das Gewebe bereits entzündet und geschwollen und schickte immer neue Staphylokokkenkulturen über die Blutbahnen in den Körper. Gleichzeitig injizierten ihr andere Ärzte hohe Dosen von Tetracyclinen und setzten einen Dauertropf an den gesunden Arm.
»Amputieren Sie!« sagte Trebjoff durch die zusammengebissenen Zähne. »Igor Antonowitsch … überwinden Sie sich: Exartikulation Oberarmgelenk. Sehen Sie mich nicht an wie ein kleiner Hund! Ich weiß es auch. Sie ist nicht mehr zu retten. Aber wir wollen nicht dabei stehen und die Arme hängen lassen. Es ist eine Chance, eine winzige Chance …«
»Nein!« Pjetkin legte das
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