Heiß wie der Steppenwind
Luftsprung, als er das hörte und erinnerte sich an den Brief des Büros für technische Zusammenarbeit, den Pjetkin bekommen hatte – verzichtete er auf den heimlichen Popen in der Kolchose, sondern nannte keck den Namen Pjetkin. So wurde er auch sofort an die richtige Stelle geführt, in das Zimmer des freundlichen, gut gekleideten, so gebildet aussehenden KGB-Offiziers.
»Sie haben etwas gegen Pjetkin vorzubringen?« fragte der elegante Mensch und trank aus einer kleinen, dünnen Tasse duftenden grünen Tee. »Wer sind Sie, was wissen Sie?«
»Zunächst das eine.« Marko holte tief Luft. »Ich nehme an, Dr. Pjetkin ist bei Ihnen gut aufgehoben, denn er ist ein Lump.«
»Weiter.« Der Mann schlürfte einen Schluck und schnalzte mit den Lippen.
»Er ist doch bei Ihnen, Genosse?« fragte Marko mit belegter Stimme.
»Warum ist Pjetkin ein Lump?« fragte der Mann zurück.
»Das ist so: Da kommt er eines Tages hinaus auf die Kolchose, in meine Hühnerfarm und sagt zu mir: ›Brüderchen, ich bin Arzt im Krankenhaus. Ich esse gern ganz frische Eier und ab und zu ein gebratenes, saftiges, junges Hühnchen. Ist es möglich, daß ich von Ihnen Eier und Huhn bekomme?‹ Ich sage: ›Lieber Genosse Arzt, wir sind eine Kolchose, wir haben Normen zu erfüllen, es gibt hier keinen Direktbezug. Aber jeder von uns hat ein Deputat. Von dem kann ich Ihnen etwas abzweigen.‹ Und ich habe ihm im Laufe der Zeit neunundsechzig Eier und vier knusprige Hühnchen gegeben. Glauben Sie, er hat sie bis heute bezahlt? Keine Kopeke! Und so gehe ich heute ins Krankenhaus, um ein paar Rubelchen aus diesem Dr. Pjetkin herauszulocken, und was höre ich? Er ist weg! Ich schnell zur Polizei und die schickt mich zu Ihnen, Genosse. Was ist nun? Wie kann ich Dr. Pjetkin sprechen?«
»Reichen Sie Ihre Forderungen schriftlich ein, Genosse.« Der elegante Mensch machte sich ein paar Notizen und warf dann den Bleistift weg. »Sie hören dann von uns.«
»Dr. Pjetkin ist also wirklich bei Ihnen?« fragte Godunow hartnäckig. »Welch ein scheinheiliger Mensch! Wem kann man denn noch trauen, Genosse, sagen Sie es mir? Wird Pjetkin deportiert?«
»Achten Sie darauf, daß Ihre Hähne springen«, sagte der vornehme Mann hinter dem Tisch. Er betrachtete Marko und spülte dann seinen Ekel mit einem großen Schluck Tee hinunter. »Aber fragen Sie nicht so viel. Sie sind sehr geschwätzig.«
»Muß man das nicht werden unter lauter Hühnern?« klagte Godunow. Er rollte mit seinen Fischaugen, griff sich an den kahlen Riesenschädel, seufzte zum Herzerbarmen und verließ das Büro.
Auf der Straße veränderte er sich völlig. Er winkte eine Taxe heran, und nur aus Neugier hielt der Fahrer, denn so etwas wie Godunow hatte er noch nicht befördert.
»Zur Kolchose ›Now Gorkij‹«, rief Marko. »Flieg, mein Brüderchen, flieg mit deiner Mistkarre … ich weise dich ein. Wir haben noch manchen Weg zu machen.«
Nach einer Stunde erreichten sie die Hühnerfarm. Der neue Verwalter empfing Marko mit roten Triefaugen, rülpste ihn an und legte sich wieder auf die Pritsche. In der Luft schwamm der Dunst von Alkohol.
Marko war das recht. Er ging in den Zentralstall, drehte fünf Hühnern den Hals herum, packte hundert Eier in einen Spankorb und ließ sich zurück nach Chelinograd fahren, nachdem er den Alten dankbar geküßt hatte.
Marko öffnete die Schleusen der Beredsamkeit. Er verteilte seine Schätze unter die Beamten, und da für einen Menschen essen, trinken und lieben die drei Grundelemente bedeuten und ein satter Leib zu den schönsten Dingen in diesem Leben gehört, erzählten die Beschenkten über Pjetkin, seine Verhaftung, die Anklage und die Aussichten, die er habe. Diese waren niederdrückend.
»Man wird ihn in ein Lager stecken«, sagte etwa der Beamte in der Registratur. Er hatte einen Überblick, denn er führte die Listen. »Die Verurteilung wird nach § 58 erfolgen«, sagte er und betrachtete wohlwollend das Huhn unter seinem Tisch. »Das macht keine Schwierigkeiten und geht schnell. Aber in welches Lager Pjetkin verlegt werden wird, das kann man nie voraussagen.«
»Aber Sie werden es erfahren, Brüderchen?« fragte Marko und holte noch fünf Eier aus der Tasche.
»Wer anders als ich?« Der Beamte deckte einen Aktendeckel über die Eier. »Durch meine Hände gehen alle Schriftstücke.«
»Dann erlauben Sie, daß ich mich in Abständen melde.« Godunow zwinkerte ihm mit einem Auge zu, aber das ging zu weit. Der Beamte nickte stumm und
Weitere Kostenlose Bücher