Heiß wie der Steppenwind
steif, schob die Eier in die Schublade und blickte zur Tür. Marko verstand. Man soll das Wohlwollen seiner Mitmenschen nicht strapazieren. Er verbeugte sich wie ein in den Hintern getretenes Bäuerlein, machte einen Kulakenkratzfuß und verschwand. Die Verbindung zu Pjetkin war hergestellt.
Ich lasse dich nicht allein, mein Söhnchen, dachte Godunow glücklich. Wohin man dich auch bringt, und sei's in den Vorhof der Hölle … Marko Borissowitsch wird in der Nähe sein.
Am Abend, mit dem letzten Zug, fuhr Godunow nach Semipalatinsk und von dort, mit vielem Umsteigen, weiter nach Irkutsk.
Eine Woche war er unterwegs, innerlich zitternd, ob diese Zeit nicht verschenkt war und Pjetkin schneller abgeurteilt würde, als man ihm verraten hatte. Es war ein Wagnis, diese Woche in die Waagschale des Schicksals zu werfen, aber Marko sah keinen anderen Weg.
Er war jetzt die letzte Verbindung zwischen Igor und Dunja geworden.
*
Viermal wurde Igor Antonowitsch Pjetkin verhört. Es waren kurze Befragungen, ganz im Gegensatz zu den sonstigen Methoden des KGB, die Inhaftierten durch stundenlange und die Nächte durchgehende Verhöre zu zermürben. Auch waren es immer andere Offiziere, die Pjetkin befragten, und Igor schien es, daß die Dienstränge immer höher kletterten, obgleich sie alle Zivil trugen.
Die Fragen waren immer die gleichen: »Haben Sie alles getan, um Sinaida Nikolajewna Swesda zu retten?«
»Wie hat sie sich infizieren können?«
»Haben Sie zufällig oder absichtlich Ihr Skalpell ausrutschen lassen und Sinaida damit verletzt?«
»Warum haben Sie nicht amputiert?«
»Hätten Sie nicht einen Spezialisten aus Alma-Ata anfordern können?«
Und schließlich die Frage, die Pjetkin bewies, daß er nie ein freier Mensch gewesen war, seit man ihn von Sergejewka versetzt hatte: »Sie wußten natürlich, daß Sinaida den Auftrag hatte, Sie zu lieben?! Deshalb haben Sie sie auch getötet …«
»Ich habe von allen diesen Umständen nichts gewußt«, antwortete Pjetkin mit fester Stimme. »Und daß ich Sinaida getötet haben soll, ist so absurd, daß ich auf diesen Fragenkomplex keine Antwort mehr gebe.« Er zündete sich eine Papyrossa an, die man ihm über den Tisch schob, und betrachtete sein Gegenüber mit dem Interesse eines Arztes, dem ein Patient gesteht, nächtliche Stimmen zu hören. »Finden Sie es nicht auch lächerlich, diese Verhöre zu veranstalten? Nennen Sie mir den wirklichen Grund meiner Verhaftung, Genosse.«
Der Offizier, ein grauhaariger Mann mit der Haltung eines Gardesoldaten, lehnte sich zurück. Eine Weile sah er Pjetkin schweigend an und nickte dann leicht.
»Sie haben recht Igor Antonowitsch. Es ist unwürdig. Schließlich war Ihr Ziehvater ein hochdekorierter Offizier, Stalingradkämpfer, Held des Volkes und Vorbild der Jugend. Sie tragen seinen Namen, und Sie haben sich dieser Ehre auch bewußt zu sein.«
»Ich habe sie nie in den Dreck getreten, Genosse. Ich habe studiert, meine Examina mit Auszeichnung gemacht, ich habe mich bemüht, ein guter Arzt zu sein. Arzt sein heißt aber, zu helfen. Jedem zu helfen, der krank ist. Ohne Unterschied.«
»Das ist eine große ethische Auffassung.« Der grauhaarige Offizier betrachtete seine Hände. »Sie darf aber nicht zur Politik werden. In Kischinew haben Sie schon in jungen Jahren die Genossen der Stadtverwaltung beleidigt – Sie sehen, in Ihren Akten steht alles –, indem Sie ihnen vorwerfen, sie hätten das Geld für den Streusand versoffen. Dann stellten Sie das Lager Sergejewka auf den Kopf und wollen nun auch noch die Ärztin Dunja Dimitrowna heiraten. Als man Ihnen in höflicher Form erklärte, daß dies unmöglich ist, weil Sie ein Deutscher sind, verlieren Sie alle Zurückhaltung und stellen einen Antrag auf Rückführung nach Deutschland … Das ist der Gipfel der Blödheit, Pjetkin. Und Sie bleiben dabei?«
»Ja.«
»Und erwarten, daß wir Sie dann an die Brust drücken?«
»Die Revolution hat die Menschen befreit. Ich frage Sie, Genosse: Erlaubt diese Freiheit nicht auch, den zu heiraten, den man liebt?«
»Ihre Frage beweist, daß Sie nie ein Russe werden können. Sie bleiben ein Deutscher, auch wenn Sie Pjetkin heißen, im Staatsheim erzogen wurden und Lenin im Hirn tragen … Das ist bedauerlich, Igor Antonowitsch. Rußland hatte große Hoffnungen in Sie gesetzt, Sie standen an einer Leiter, die fast in den Himmel führt. Sie können gehen …«
Das war das bisher längste Verhör gewesen. Pjetkin wurde zurück in
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