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Heiß wie der Steppenwind

Heiß wie der Steppenwind

Titel: Heiß wie der Steppenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wurde ruhig, nahm sein Herz fest in die Hand und bereitete sich auf einen Kampf um sein weiteres Schicksal vor. »Man hat mir mehrfach gesagt, ich sei, trotzdem ich als Russe erzogen und von Oberst Pjetkin adoptiert worden bin, ein Deutscher geblieben. Man sagte sogar sehr plastisch: Wenn man einen Ochsen in eine Kamelhaut näht, bleibt er doch ein Ochse.«
    »Von dem Ochsen Pjetkin sprechen wir später.« Der Mann hinter dem Tisch sah an die hölzerne Decke. »Bleiben wir bei Ihren Antrag … er ist doch ein Witz, Igor Antonowitsch.«
    »Er ist so wahr, wie ich ein Deutscher sein soll. Die Entscheidung liegt nun bei Ihnen. Verweigert man mir die Rückkehr nach Deutschland, muß ich wohl ein Russe sein.«
    »Das nennen Sie Logik?« Der Mann, ein gepflegter, schlanker Mensch mit angegrauten, braunen Haaren, der eher ein Wissenschaftler als ein Beamter des Geheimdienstes sein konnte, schüttelte wie verwirrt den Kopf. »Das sowjetische Volk hat Ihre Ausbildung zum Arzt bezahlt … das sowjetische Volk erwartet von Ihnen den Einsatz Ihrer Arbeitskraft und Ihres ganzen Könnens.«
    »Und ich erwarte vom sowjetischen Staat, daß er mich als einen Mann aus seiner Mitte betrachtet und mich nicht hindert, eine Frau zu heiraten, die ich liebe.«
    »Ach ja, Dunja Nikolajewna. In Ihrem Antrag steht wörtlich: ›Rückführung nach Deutschland mit Dunja Nikolajewna als meine Frau …‹ Pjetkin, Sie hatten eine unkontrollierte Stunde, als Sie das schrieben. Wir überlesen es.«
    »Sie sollten es in sich hineinbrennen, Genosse! Ich bestehe darauf, zusammen mit Dunja nach Deutschland auswandern zu können!«
    Der Mann hinter dem Schreibtisch blickte Pjetkin eine Weile schweigend an. Eine Musterung, die auf Pjetkins Haut brannte wie Nesseln. Es war das Schweigen vor dem Fallen der Maske.
    »Igor Antonowitsch Pjetkin«, sagte der Mann fast feierlich, »ich werde es nicht verhindern können, daß man Sie eingehend verhört. Bleiben Sie ruhig … vor der Tür steht bereits eine Wache.«
    »Was soll das heißen?« Pjetkin sprang auf. Er war sich seiner Ohnmacht bewußt, aber er wollte nicht ohne Widerstand aus diesem Zimmer gehen. »Ich protestiere! Ich habe meinen Antrag an das Innenministerium in Moskau gestellt, und von dort erwarte ich eine Antwort!«
    »Wer denkt denn an Ihren verrückten Antrag, Pjetkin?« Der Mann hinter dem Tisch lächelte elegant. »Wir bemühen uns gerade, ihn aus der Welt zu schaffen. Mein lieber Igor Antonowitsch, ich verhafte Sie wegen Mordes an der Ärztin Sinaida Nikolajewna Swesda …«
    *
    Marko Borissowitsch Godunow saß auf dem Lokus, las die Zeitung und rauchte eine Zigarette, als der Stationspfleger Jermal hereinstürzte. Man muß die Verhältnisse kennen, Freunde, um sich nicht zu wundern. Es gab natürlich keine einzelnen Abortzellen, keine durch Wände und Türen abgetrennten Kämmerchen, in die man sich verkriechen konnte, sondern in einem großen Raum standen sieben Klosettschüsseln nebeneinander, und wenn sie alle besetzt waren, ergab sich ein fast militanter Anblick von martialisch blickenden Männern mit heruntergezogenen Hosen. Gegenüber an der anderen Wand waren sieben Waschbecken eingelassen, allerdings ohne Seife und Handtuch.
    Es kam selten vor, daß dieser Raum – er war sogar weiß gekachelt und mit einem Steinboden – leer war, so wie jetzt, wo Marko allein auf seinem Klosettbecken saß und die Welt völlig in Ordnung fand. Daß der Krankenpfleger Jermal hereinstürzte, störte ihn nicht …
    »Hier ist er!« schrie Jermal und blieb vor Marko stehen. »Hockt da wie ein Äffchen und bläst Gestank in die reine Luft. Aufstehen! Dr. Trebjoff sucht dich, die Spritze ist fällig!«
    Marko blieb sitzen und ließ die Beine baumeln. Er faltete nur die Zeitung sorgfältig zusammen und klemmte sie unter die linke Achsel.
    »Wieso Trebjoff?« fragte er. »Ich liege auf der Station von Dr. Pjetkin. Und Igor Antonowitsch hat mir versprochen, daß ich keine dieser widerlichen Spritzen mehr bekomme. Ganz benommen machen sie mich, ich taumele herum, nenne die Schwester Marfa ›mein Dickerchen‹ und huste die Ärztin Wanda an, weil sie wie im Nebel schwebt. Nein – Dr. Pjetkin ist dagegen …«
    »Er wird keine Zeit mehr haben, gegen etwas zu sein«, schrie der Krankenpfleger Jermal. »Steh auf und komm mit! Dr. Trebjoff sitzt auf deinem Bett und wartet …«
    »Was heißt das … Pjetkin hat keine Zeit mehr?« fragte Godunow gedehnt.
    »Verhaftet hat man ihn.«
    »Verhaftet? Pjetkin?«

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