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Heiß wie der Steppenwind

Heiß wie der Steppenwind

Titel: Heiß wie der Steppenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hatte sich vorgenommen, Beleidigungen zu überhören, denn wer sich jetzt um sein Zartgefühl kümmerte, kam nicht weiter. Die Unbillen wuchsen, je weiter er sich in die Hierarchie der Beamten hineinwühlte. Vor allem lernte Sadowjew eine neue Seite der Verwaltung kennen: Niemand war mehr zuständig.
    Sadowjew begriff das nur sehr langsam. »Wie ist das?« brüllte er herum, wenn man ihn überhaupt zu Wort kommen ließ. »Jemand muß doch angeordnet haben, daß mein Töchterchen nach Irkutsk kommt. Oder gibt es hier Geister, die Transportzettel schreiben, he? Wer hat meinen Schwiegersohn nach Chelinograd geschaukelt, ich frage Sie, Genossen? Ein Männlein, das nachts heimlich in den Akten schmiert? Ich will den sprechen, der den Befehl gegeben hat, zum Teufel! Reizen Sie mich nicht, Brüderchen! Sie können einen uralten Parteigenossen nicht belügen. Als Sie noch in die Windeln pißten, marschierte ich schon hinter der Roten Fahne her. Das verdient Achtung, Bürger!«
    Was half's? Man reichte Sadowjew weiter, bis alle es leid waren, ihn anzuhören. Da drohte man ihm offen, ihn festzunehmen, weil er die Beamten belästige.
    Sadowjew verzichtete darauf, in Chabarowsk weiter nach dem Recht zu suchen. Er übernachtete noch einmal am Rande der Stadt in einer Scheune und zählte sein Geld. Es reichte für eine Bahnfahrt nach Irkutsk, aber dann begann das Problem, mit leeren Taschen weiterzukommen.
    In Irkutsk hatte er Mühe, sein Töchterchen Dunja aufzuspüren. Zunächst sagte man ihm in der Universitätsklinik, eine Dunja Dimitrowna gäbe es gar nicht.
    »Ich bin ihr Vater!« schrie Sadowjew außer sich und hüpfte herum, als plagten ihn tausend Flöhe. »Ich habe sie gezeugt, das muß ich doch wissen. Wer will das bezweifeln, he? Und sie ist Ärztin an dieser Mistklinik. Neunmal habe ich mit ihr telefoniert, vier Briefe hat sie geschrieben … dann hörte es plötzlich auf. Soll ich das geträumt haben? Hier!« Er schlug einem der Verwaltungsbeamten einen Brief Dunjas ans Gesicht und klebte ihn dann dem armen Menschen mit Spucke an die Stirn. »Lies ihn, du Idiot!«
    Es war verständlich, daß ein solches Benehmen keine Freundschaft erzeugt. Die Verwaltung schob Sadowjew deshalb an Professor Dr. Bulak, den Chefchirurgen, weiter. Ein Arzt kann alles besser erklären, dachten sie. Er kann mit Menschen sprechen, auch wenn sie so aus den Fugen geraten sind wie dieser Sadowjew.
    Prof. Bulak nahm es seufzend auf sich, ein wenig Licht in Sadowjews verdunkelte Welt zu bringen. Er bot ihm eine Zigarre an, die Sadowjew zwischen den Fingern zerbröselte und in seine riesige Pfeife stopfte. Dann durfte er zwei Gläser goldbraunen Kognaks trinken, schnalzte mit der Zunge und blies den duftenden Rauch der Zigarre von sich.
    »Sie sind ein guter Mensch inmitten dieser ganzen Brut von Teufelsmist«, sagte er. »Man merkt, daß Sie ein gelehrter Mann sind, ein Kollege meiner kleinen Dunjuscha. Wie ist es nun: ich möchte meine Tochter sehen.«
    »Das wird einige Schwierigkeiten geben, mein lieber Sadowjew.« Prof. Bulak drehte die Zigarre zwischen seinen Fingern. »Dunja Dimitrowna, wir alle mochten sie gern, sie war ein guter Kamerad, eine hervorragende Ärztin und befand sich auf dem Weg zu einer großen Karriere …«
    »… mein Vaterherz jubelt, Genosse!« unterbrach Sadowjew mit glänzenden Augen.
    »Dunja ist nicht mehr in der Klinik. Sadowjew, Sie sind ein harter Mann, ein Kosak, an der Grenze geboren und aufgewachsen, allen Stürmen gewachsen: Dunja wurde verhaftet.«
    Sadowjews Augen fielen zu. Aber nicht nur sie … es war, als schrumpfte er zusammen. Er wurde kleiner und hockte geradezu elend auf seinem Stuhl. »Verhaftet …«, sagte er leise.
    »Sie hat einen Kollegen, den Arzt Dr. Tschepka, zum unheilbaren Krüppel geschlagen.«
    »Mein Täubchen?« stotterte Sadowjew. »Mein blondes Schwänchen? Sie hatte sicherlich Grund dazu?«
    »Dr. Tschepka wollte sie küssen. Wie ein Furie ist sie auf ihn los und hat ihm fast den Schädel gespalten.«
    »Das ist gut«, sagte Sadowjew und wuchs wieder aus sich heraus. »Das ist meine Erziehung. Wer dich angreift, habe ich gesagt, ist immer ein Schuft. Schufte muß man auf den Schädel dreschen … Dunjenka hat es getan. Ich bin stolz auf sie.«
    »Aber man hat sie verhaftet.« Prof. Bulak zerdrückte seine Zigarre. »Und man wird sie strafversetzen, irgendwohin nach Sibirien, wo die Wölfe vor Einsamkeit jammern. Ich habe alles versucht, was in meinen Kräften steht … die

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