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Heiß wie der Steppenwind

Heiß wie der Steppenwind

Titel: Heiß wie der Steppenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Dunja begleiten kannst?«
    »Ich werde mich als Hilfsheizer bei dem Lokführer melden«, sagte Sadowjew stolz. »Und du, mein Brüderchen?«
    »Ich werde den Zug als Monteur begleiten.«
    »Ohne Papiere?«
    »Wer wird mich kontrollieren? Dem Lokpersonal sage ich: Mich haben die Soldaten angestellt. Den Soldaten sage ich: Ich komme von der Eisenbahnverwaltung. Keiner wird den anderen meinetwegen fragen. Ist das eine Idee?«
    »Du bist ein Schuft, Marko Borissowitsch«, lachte Sadowjew. »Laß dich umarmen.«

Z WEIUNDZWANZIGSTES K APITEL
    Die Novemberstürme heulten über die Steppe und trieben den Schnee in den letzten Winkel. Wenn der Winter einbricht, die Flüsse träger werden, der Himmel wie unter ein Bettuch kriecht und auf dem Land die Fensterritzen mit Papier verklebt werden, wenn in den Städten die Pelzmäntel ausgeschüttelt werden und die Bauern das Holz unter das schräge Scheunendach stapeln, beginnt auch in Chelinograd die lange Zeit der Kälte. In Sibirien krachen längst schon die Bäume im Frost, schleichen die hungernden Wölfe zu den Fallen der Jäger und fressen sie leer, brechen die Zweige unter der Last des gefrorenen Schnees und türmen sich auf den breiten Strömen die Eisschollen zu bizarren Gebilden. Man glaubt, das Leben sei erstarrt, steif gefroren wie die Natur, konserviert für den kommenden Frühling, an den niemand zu glauben wagt, wenn der Schneesturm mit siebzig Grad Frost die Bäume zerbricht wie Glas. An einem dieser Novembertage war es endlich soweit: Der Transport der zum Lager Verurteilten wurde zusammengestellt und zum Bahnhof gebracht. Marko erfuhr es sofort, klaute im Krankenhaus einen Pelzmantel, besorgte sich ein Eisenbahnerkäppchen, was überhaupt keine Schwierigkeit machte, denn überall hingen in den Zimmern die Ausrüstungsgegenstände herum, und fragte sich dann durch bis zu dem abgestellten, von Miliz bewachten Zug der Deportierten.
    In einem Lastwagen, unter geschlossenen Planen, saß Pjetkin mit vierzig anderen Verurteilten auf einer Holzbank und fuhr quer durch die Stadt zum Güterbahnhof. Er hatte in diesen Wochen abgenommen, der gute Igor Antonowitsch, er war bleich geworden, dürr am Körper und trug einen wilden, blonden Bart. Seit seiner Verurteilung war das Rasieren verboten … bis zu dem Tag der Urteilsverkündung war er noch Dr. Pjetkin gewesen. Jetzt hieß er Nummer 187. Vor der Abfahrt hatte ihm ein Mann aus der Kleiderkammer eine alte Steppjacke gegeben, vielfach geflickt und an den Nähten ausgefranst. Die Wolle quoll heraus. Auch die Mütze mit den Ohrenklappen sah nicht anders aus, und die Hose war am linken Knie eingerissen.
    »Du hast noch das beste bekommen, Doktor«, sagte der Magazinverwalter, als sich Pjetkin die Sachen überzog. »Und das nur, weil ich ein Freund von Stepan bin.«
    Auf dem Güterbahnhof warteten die Waggons. Von allen Seiten waren die Verurteilten herangebracht worden … es standen vierhundertzwanzig elende Gestalten vor den Schienen, in Fünferreihen, wurden durchgezählt wie Rinder und mußten im Schnee warten. Elf Waggons bildeten den Zug … drei hinter der Lok, Güterwagen mit zugenagelten Lichtklappen, dann folgte der Salonwagen der Offiziere – ein normaler Personenwaggon –, ihm schlossen sich der Wagen der Begleitmannschaften, der Küchenwagen für Gefangene und Soldaten und der Proviantwaggon an. Den Schluß bildeten wieder vier geschlossene Viehtransporter mit Schiebetüren, in denen jetzt je ein junger Soldat stand und wartete.
    »Abzählen bis sechzig!« schrie ein Offizier. »In diesen Gruppen an die Wagen treten. Dawai!«
    Die Zahlen flogen von Mann zu Mann. Dann rannten die Elendsgestalten zu den Waggons und drängelten sich unten vor die Tür. Wer zuerst in den Wagen kletterte, hatte den besten Platz. Die Soldaten brüllten und hieben mit Stöcken in die Reihen der Sträflinge.
    »Zurücktreten! Zurücktreten! Einzeln aufsteigen! Es wird nochmals gezählt!«
    Über die Schienen trieb der Schnee. Pjetkin stand in der vierten Reihe, er kämpfte nicht um die ersten Plätze, ihm war es gleichgültig, wo er im Waggon ein Stückchen bekam, um sich hinzuhocken. Geduldig ließ er die anderen an sich vorbeidrängeln, und er lächelte nur traurig, als er im Wagen bereits die Kämpfe toben hörte um das Bett in der Nähe der Tür, am Zentralofen oder an den vernagelten schmalen Fenstern.
    »Macht Platz«, schrie jemand hinter ihm. »Ich muß die Bremsen kontrollieren! Zum Teufel, sie stehen vor der Tür wie die

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