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Heiß wie der Steppenwind

Heiß wie der Steppenwind

Titel: Heiß wie der Steppenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Hammel!«
    Pjetkin dreht sich nicht um, obgleich er die Stimme erkannt hatte. Aber ein Gefühl tiefer Freude durchrann ihn. Jemand stieß ihn von hinten an und drängte ihn weg.
    »Ich werde dich begleiten, Söhnchen«, sagte Godunow leise hinter Pjetkins Rücken. »Ich bin Monteur der Eisenbahn. Deinen Waggon werde ich besonders oft kontrollieren. Ein Mistding haben sie da angekoppelt. Wenn du Sorgen hast, sag sie mir. Ich wohne im Küchenwagen. Jewseij, der Koch, ist mir dankbar. Ich habe ihm ein Pulver gegen Harnbrennen besorgt. Sei mutig, Söhnchen, und schwing dich jetzt in den Wagen. Nimm ein Bett an der Schmalwand. Und wenn es schon belegt ist, ohrfeige ihn herunter. Noch bist du kräftig, und nur dem Starken gehört die Welt im Viehwagen. Du wirst es sehen … es werden sich Gruppen bilden, die sich bekämpfen bis in den Tod. Wenn du im Wagen bist, gibt es keine Gesetze mehr, nur noch eins.« Er zog sich an der Tür empor, bekam von dem jungen Soldaten mit einem kleinen Hammer einen Schlag auf den Rücken: »Dreiundvierzig!« und stolperte in den Waggon. Die ›Betten‹ an den Schmalwänden waren belegt … Bretter in drei Etagen übereinander. Nur an der anderen Längswand waren noch Plätze frei … hier lagen bereits die Alten und Schwachen, die das Kämpfen aufgegeben hatten. Pjetkin sah sofort, warum diese Bretter noch leer waren … im Wagenboden vor ihnen war ein Loch gebohrt und darin steckte ein enges verzinktes Rohr. Die Latrine. Es würde ein Kunststück sein, immer dieses Rohr zu treffen, und es war abzusehen, wann der widerlich stinkende Brei aus Urin und Kot durch den Wagen floß. Ein Loch im Boden für sechzig Mann. Und nicht weit davon der runde, eiserne Ofen. Requisit seit hundert Jahren in die sibirische Verbannung. Der kleine, glühende Ofen … der winzige Funken Leben … wenn er erlosch, starb alles.
    Igor legte sich auf ein Brett in der zweiten Etage und schloß die Augen. Marko fährt mit, er ist ein Teufelskerl, der Kleine dachte er. Aber in die Hölle wird man ihn nicht hineinlassen … da werde ich allein sein.
    In der Nacht fuhren sie ab. Der Waggon, nun verschlossen und von außen verriegelt, dampfte vor Hitze. Noch hatte man Holzscheite genug. Irgendwo betete einer laut, zwei andere lachten gemein.
    Pjetkin legte sein Ohr gegen das Holz. Er hörte das Pfeifen des Windes.
    Gute Nacht, Dunja, dachte er und streckte sich aus, so gut es ging. Wir werden jetzt zehn Jahre nichts voneinander hören … aber wir werden uns immer nahe sein. Warte auf mich … wir haben noch einige Jahrzehnte Leben vor uns …
    *
    Fast um die gleiche Zeit stand Sadowjew im Kohlenbunker eines Zuges, der von Irkutsk nach Westen fuhr, und schaufelte und schaufelte, schwitzte und ächzte und versorgte die Lokomotive mit Fraß.
    »Ein unersättliches Luder ist sie!« schrie er dem Heizer zu. »Keiner, der gemütlich durch die Gegend dampft, macht sich ein Bild, was es kostet, dieses Biest in Gang zu halten! Und da schimpft man immer auf die Eisenbahner! Gott erbarme dich … keine freie Minute hat man!«
    Sadowjew hatte Dunja nicht gesehen. Aber er war zur Stelle, als der gedeckte Lastwagen aus dem KGB-Hof fuhr. Sadowjew schwang sich auf ein Fahrrad, das er sich von seinem sauer erarbeiteten Lohn gekauft hatte, ein uraltes Rad, das überall klapperte, und radelte hinter dem Wagen her, machte vor dem Güterbahnhof kehrt und kümmerte sich um seine Anstellung als Hilfsheizer. Dazu schlich er erst von einem abgestellten Zug zum anderen, bis er den entdeckte, in dem zwei Waggons mit neunundsiebzig Frauen angekoppelt war. Es war ein reiner Güterzug, der mit Maschinen nach Nordwestsibirien fuhr. Vor die beiden Gefangenenwaggons waren ein Bewacherwagen und die Küche gesetzt worden. Den Schluß des Zuges bildete ein Transport mit blökenden Kühen.
    Sadowjew umkreiste ein paarmal die verschlossenen Wagen, knirschte mit den Zähnen und konzentrierte sich dann darauf, den Heizer und den Lokführer zu überreden, ihn ohne Bezahlung als Kohlenschipper mitzunehmen. Es gelang. Jeder Mensch ist von Natur aus faul, auch ein Heizer der sowjetischen Bahnen. Er verpflichtete Sadowjew, seine Arbeit zu tun, was Dimitri Ferapontowitsch zu einer brüderlichen Umarmung anregte, dann band der Heizer seine Lederschürze ab, hängte sie Sadowjew um, betrachtete ihn kopfschüttelnd, sagte ehrlich: »Es gibt doch noch Hohlköpfe auf der Welt!« und ging weg, hundert Gramm Wodka trinken. Für Sadowjew aber war der Himmel nicht mehr

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