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Heiß

Heiß

Titel: Heiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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unruhigen Schlaf.
    »Chief! Wachen Sie auf!«, flüsterte er mit drängender Stimme, während er neben dem Lager aus dünnen Decken, das provisorisch auf einem unebenen Fußboden ausgebreitet war, in die Hocke ging. »Hier sind zwei Männer aus Chitral, die Sie sprechen wollen.«
    Salam war blitzartig wach und fuhr hoch, wollte nach seinem Revolver tasten und erinnerte sich dann daran, dass er ja unbewaffnet war. Benommen und leise fluchend richtete er sich auf. Der Mann, der ihn geweckt hatte, war unrasiert, und die dunklen Ringe unter seinen Augen verrieten, dass er die ganze Nacht gewacht hatte.
    »Wie spät ist es?«, murmelte Salam und wollte den fleckigen Vorhang zur Seite schieben, überlegte es sich aber dann doch anders. In einer Ecke der ärmlichen Hütte flackerte eine einzelne Kerze und malte Schatten an die gekalkte Wand.
    »Kurz vor Tagesanbruch«, gab die Wache leise zurück. »Soll ich die beiden Männer hereinholen? Wir haben ihnen die Waffen abgenommen. Sie behaupten, sie seien ihre Mitarbeiter.«
    »Meine Mitarbeiter?« Salam runzelte die Stirn. Nach kurzem Nachdenken nickte er. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Was sollte das? Was war hier los? Sollten sie ihn überzeugen, nach Chitral zurückzukommen? Wie hatten die beiden ihn überhaupt gefunden? Gab es Verräter unter den Kalash?
    Die Wache schob den schweren Vorhang vor der Tür zur Seite und huschte hinaus. Die Kerze flackerte stärker, und Salam überlegte für einen Augenblick, aus dem Fenster zu springen und das Weite zu suchen. Im Dorf war es still, selbst die Vögel schliefen noch. Der Toyota stand hoffentlich nach wie vor unter den tiefhängenden Zweigen bei der niedergebrannten Hütte von Shah Juan. Im Schutze der Dunkelheit würde es kein Problem sein, weiter hinein ins Hochtal, höher in die Berge zu flüchten. Vielleicht war es eine Falle und er sollte …?
    In diesem Moment wurde der Vorhang zur Seite geschoben, und zwei schmale Gestalten schlüpften gebückt durch den entstandenen Spalt, sahen sich unsicher in dem kleinen Raum um.
    »Raza! Arheem!« Salam eilte auf die beiden Männer zu und legte ihnen die Hände auf die Schultern. Sein Blick glitt über die zerschlissene Kleidung seiner Beamten, die verblichenen, einheimischen Kopfbedeckungen, die schweren, halbhohen Schnürstiefel unter den weiten Hosen. »Wo sind eure Uniformen?«, fragte er leise. »Seid ihr nicht im Dienst?«
    Niedergeschlagen schüttelten beide den Kopf. »Wir sind auf der Flucht, Chief«, flüsterte Arheem, und Raza ergänzte mit funkelnden Augen: »Besser, als zu Verrätern zu werden. Wir gehen in die Berge, wahrscheinlich über die Grenze. Zum Glück haben wir keine Familien, auf die wir Rücksicht nehmen müssten.«
    Salam zog die Augenbrauen zusammen, musterte seine Männer, und mit einem Mal spürte er, wie die Nervosität in seinem Magen explodierte und Schockwellen durch seinen ganzen Körper schickte. »Was ist los in Chitral?«, zischte er.
    »Der Geheimdienst hat die Polizeistation besetzt, Ihr Büro durchsucht, alle Schränke aufgebrochen.« Arheem sah sich misstrauisch um, während Salam instinktiv und zugleich erleichtert nach dem Notizbuch in seiner Brusttasche tastete, das er im letzten Moment eingesteckt hatte.
    »Sie haben Kala und ihren Vater verhaftet«, meinte Raza düster und ballte die Fäuste. »Ihn haben sie aus der Bank abgeholt, Kala gleich nach der Durchsuchung der Büros mitgenommen, als sie sich weigerte, den Inhalt ihrer Schränke preiszugeben. Sie meinte, Sie seien ihr Chef und sonst niemand, schon gar nicht der Geheimdienst.«
    Salam schloss verzweifelt die Augen. Seine Welt war gerade dabei zusammenzubrechen, und er riss seine Freunde mit in die Tiefe. Er fühlte Zorn in sich hochsteigen, wie damals, vor zwanzig Jahren, als alle gelogen hatten und er zusehen musste, wie die Wahrheit auf dem Scheiterhaufen der Zweckmäßigkeit verbrannt worden war.
    »Zeyshan ist ebenfalls verschwunden.« Arheem schaute dem Chief Inspector tief in die Augen, und Salam konnte darin im Licht der flackernden Kerze den Schmerz lesen. Der schmale Mann aus den Bergen mit dem faltigen Gesicht zögerte kurz, dann sagte er nur: »Sein Vater sah sie kommen.«
    »Oh Gott.« Salam schlug die Hände vors Gesicht.
    »Er stand am Fenster, rief ihnen entgegen, was sie von ihm wollten und verbot ihnen, das Grundstück zu betreten.« Arheems Stimme war tonlos. »Sie lachten nur, traten das Tor ein, und er zögerte keinen Moment. Er riss seine

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