Heiß
versichert. »Andererseits war der Mord an den dreien sehr effektiv.«
»Naja, wenn sie tot sind …« Das hatte ihm einen strafenden Blick der Frau Oberkommissarin eingetragen.
»Keine Identifikation möglich, meine ich. Und über alles andere reden wir morgen. Dann liegen auch die Resultate der chemischen Untersuchungen der Sprengstoffe vor. Und der Abschlussbericht der Spurensicherung.«
Der Lkw fuhr weiter, und das Lachen der jungen Frau verstummte. Es wurde wieder ruhig vor dem Hotel, in dem sein Chef für Calis ein kleines, einfach eingerichtetes Einzelzimmer reserviert hatte. Mit dem Fenster zur Bruchfeldstraße, die sich immer mehr als Lärmquelle erster Ordnung entpuppte. Denn wenige Augenblicke nachdem der Getränkelieferant abgerückt war, bog zischend der Wagen der Straßenreinigung um die Ecke.
Calis schloss verbissen die Augen und zog sich das Kissen über den Kopf.
Beim Tiramisu hatte der Kommissar seine Trumpfkarte ausgespielt und Trapp von den Tattoos der Fremdenlegionäre berichtet. »Wenn wir also Reste von Tätowierfarbe finden, dann können wir mit hoher Wahrscheinlichkeit annehmen, dass es sich bei den dreien um die Mörder von Kurt Tronheim handelt.«
»Die von Berlin an den Main gefahren sind, um sich in die Luft sprengen zu lassen?« Da war er wieder gewesen, der skeptische Unterton. »Oder weil ein drogensüchtiger, wichtigtuerischer Informant in seinem Alkoholdusel von Legionären und Frankfurt gesprochen hat? Und Tätowierungen haben in letzter Zeit selbst Banker. Tut mir leid, das ist mir zu dünn. Wir hier in Hessen bauen eher auf Fakten.«
Von da an war der Abend ziemlich schweigsam verlaufen. Calis hatte sich für einen kurzen Moment dabei überrascht, Gustav in Schutz nehmen zu wollen. Doch bevor er sich die richtigen Worte zurechtlegen konnte, war Trapp nach einem demonstrativen Blick auf die Uhr aufgestanden und mit einem »bis morgen um acht im Präsidium« sang- und klanglos verschwunden.
Der Kommissar war noch etwas länger sitzen geblieben, hatte einen Cappuccino getrunken, dann einen Grappa, schließlich einen zweiten. Und am Ende noch einen Absacker.
Mit dem nagenden Gedanken »und wenn Trapp recht hätte?« war Calis schließlich in seinem Hotel in einen unruhigen Schlaf gefallen. Bis zu der lautstarken Lieferung der Getränkekisten.
Während die Straßenreinigung langsam in der Ferne verschwand, überlegte der Kommissar, was er machen sollte, wenn Gustav sich tatsächlich etwas zusammenphantasiert hatte. Keine Legionäre aus Frankfurt, kein geheimnisvoller, hochbezahlter Job, sondern ein gut geplanter Einbruch, für den die Täter einen Schlüssel brauchten. Und deshalb Tronheim ermordet hatten. Vielleicht fehlten ja bei Siemens Unterlagen aus der Entwicklungsabteilung – oder sie fehlten gar nicht, sondern waren nur fotografiert worden, im Auftrag eines gewissenlosen asiatischen Konkurrenten. Dann würde seine Theorie von den angeheuerten Legionären zusammenbrechen wie ein schlecht gebautes Kartenhaus.
Blamage inklusive.
»Er ist in seinem Zimmer«, sagte die junge Frau im Minirock, als der Bentley Mulsanne fast lautlos neben ihr anhielt und das verdunkelte Fenster herunterglitt. »Hat einen ziemlich leichten Schlaf für einen Großstädter.« Dann nahm sie die Handvoll grüner Geldscheine in Empfang, zählte kurz nach, zog aufatmend ihre Stöckelschuhe aus und lief barfuß geräuschlos zu einem kleinen grünen Ford Fiesta auf der anderen Straßenseite, startete ihn und fuhr davon. Die Bruchfeldstraße lag wieder ruhig da.
»Holen Sie ihn herunter«, meinte der Mann auf dem Rücksitz des Bentley schließlich zu seinem Chauffeur. »Bevor er schlecht schläft und womöglich Albträume hat, wollen wir ihm doch etwas zum Nachdenken geben.«
Als es an der Zimmertür klopfte, war Calis das erste Mal in dieser Nacht wirklich tief eingeschlafen. Wirre Bilder von einer halb nackten, tätowierten Martina Trapp zwischen marschierenden, schwitzenden Legionären flackerten durch sein Hirn, begleitet von einer Kakophonie aus Marseillaise und klirrenden Flaschen. Doch mit einem Mal wurde die Trommel lauter und lauter, drängender. Er tauchte aus seinem Traum auf, weiter an die Oberfläche seines Bewusstseins, aber das Hämmern blieb, es wurde sogar noch lauter. Er öffnete die Augen und stellte fest, dass tatsächlich jemand an die Tür klopfte.
»Wer ist da?«, fragte er, während er aus dem Bett und in seine Jeans stieg, ein T-Shirt überstreifte
Weitere Kostenlose Bücher