Heiß
alte Kalaschnikow hoch, lud durch und schoss sofort. Dabei schrie er immer wieder: ›Tod allen Verrätern unseres Landes! Gott wird euch auf ewig verdammen!‹ Er erwischte drei von ihnen, bevor er selbst im Kugelhagel starb. Seitdem ist Zeyshan auf der Flucht. Niemand weiß, wo er ist und ob er noch lebt.«
Salam drehte sich wortlos um und schlug den Vorhang vor dem Fenster zur Seite. Im Osten, über den schneebedeckten Gipfeln, färbte sich der Himmel grau. Der Tag brach an.
Das Morgengrauen …
»Die ISI bringt ständig neue Leute in die Provinz, technisches Personal, Geländefahrzeuge und Agenten«, stellte Raza fest, schaute scheu zu Salam, der noch immer unbeweglich am Fenster stand, und blies dann vorsichtshalber die Kerze aus. Mit einem Mal war es dunkel in dem kleinen Raum. »Der Nachschub rollt. Bevor wir uns auf den Weg machten, gab es ein Gerücht, dass sie einen Helikopter anfordern würden. Der Obduktionsbericht von Shah Juan wurde vernichtet, Dr. Nasiri unter Druck gesetzt. Die verkohlte Leiche ist spurlos verschwunden.«
»Das war der Moment, in dem wir uns entschlossen haben zu fliehen«, flüsterte Arheem. »Sie begannen mit den Befragungen der Polizeibeamten, haben auf alle mit einem Knüppel eingeprügelt, bevor sie die ersten Fragen stellten.« Er trat neben Salam. »Die wollen Sie haben, Chief, koste es, was es wolle. Und wir, wir wollten Sie nicht verraten.«
Salam antwortete nicht und starrte in den Himmel. Verzweiflung machte sich in seinem Herzen breit und lähmte seine Gedanken.
Draußen war es totenstill.
Die Nacht schien den Atem anzuhalten, während die Sterne verblassten.
Die Schneeleoparden schlichen lautlos näher, begannen, immer engere Kreise um ihre Beute zu ziehen.
Endlich drehte sich Salam zu seinen Beamten um. »Wie habt ihr mich gefunden?«
»Sie haben uns stets beigebracht so zu denken, wie die Menschen auf der Flucht«, lächelte Arheem dünn. »Wohin sollten Sie schon gehen? Also haben wir uns auf den Weg zur Hütte des Shahs gemacht. Sahen den Toyota versteckt unter den Bäumen, lasen die Spuren, trafen eine alte Frau, die uns ausfragte und schließlich hierher führte.« Er wies mit der Hand zur Tür. »Die Kalash bewachen Sie gut. Acht Mann, bis auf die Zähne bewaffnet, patrouillieren im Ort und um dieses Haus.«
»Wahrscheinlich wäre ich ohne den Beschützer bereits tot«, brummte Salam. Als er den fragenden Blick Arheems sah, winkte er ab. »Das erkläre ich euch ein anderes Mal, später, wenn wir überhaupt so lange leben. Was habt ihr vor?«
»Auf normalem Weg kann man die Provinz nicht mehr verlassen, der Geheimdienst und das Militär haben Straßensperren auf allen großen Ausfallstraßen errichtet«, antwortete Raza. »Die Touristen werden angehalten, wegen eines Mords und plötzlichen Konflikten schnellstens die Region zu verlassen.«
»Sie wollen freies Schussfeld haben«, ergänzte Arheem, »und keine Zeugen, die womöglich der internationalen Presse berichten könnten. Gleichzeitig wurde eine Nachrichtensperre verhängt, die lokalen Zeitungen haben bis auf weiteres ihr Erscheinen eingestellt.«
»Die ISI hat alles fest im Griff, wie immer«, murmelte der Chief. »Was war an dieser Einsatzgruppe, die Juan ermordet hat, so besonders? Warum ausgerechnet Shah Juan? Ein Vorwand, um die Macht in der Provinz zu übernehmen und die Gemäßigten auszuhebeln? Freie Bahn für Al-Qaida?« Er sah seine beiden Männer an. »Also, wohin wollt ihr?«
»Mit dem Wagen bis ans Ende des Tals und dann zu Fuß über die Grenze nach Afghanistan«, antwortete Arheem bestimmt, »auf dem alten Schmugglerpfad. Der Schnee ist nicht mehr so hoch nach den letzten warmen Tagen, und ich kenne mich an der Grenze gut aus. In meiner Jugend bin ich … habe ich …« Er verstummte und sah zu Boden.
»Schon gut, Arheem, schon gut, ich bin kein Richter«, beruhigte ihn Salam. »Es hat gut getan, euch zu sehen. Ich hoffe, ich kann mich irgendwann einmal für eure Loyalität erkenntlich zeigen. Verschwindet in die Berge, solange alles ruhig ist. Allah begleite und beschütze euch.«
»Wir haben Waffen dabei, mehr, als wir benötigen«, stellte Raza fest. »Sturmgewehre, Handgranaten, Pistolen. Wir haben mitgenommen, was uns in die Hände fiel. Sollen wir Ihnen etwas zurücklassen? Wir haben auch zwei neutrale Mobiltelefone dabei, von einem Freund und meiner Schwester.«
Salam schüttelte den Kopf. »Ihr werdet Geld brauchen zum Überleben, bis ihr wieder zurückkommen könnt.
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