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Heiß

Heiß

Titel: Heiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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Gefahren einzunehmen, die unser Land nun bedrohen. Kein schlimmerer Schlag hat das britische Empire in den letzten Jahren getroffen. Mit Lawrence haben wir einen der größten Männer unserer Zeit verloren.«
    Premierminister Winston Churchill
    Colonel Frank Majors schlug seinen Mantelkragen hoch. Dieser verdammte Regen! Außerdem hasste er Begräbnisse wie die Pest, und dieses hier bildete keine Ausnahme. Die graue Steinkirche St Nicholas in Moreton war schon trist genug. In diesem grauen unfreundlichen Wetter, mit den tiefziehenden Wolken und Regenschauern, die der Wind vom Meer her trieb, erschien sie Majors wie eine steingewordene Depression.
    »Kein Tag zum Leben, kein Tag zum Sterben«, brummte er und zog sich den Hut tiefer ins Gesicht. Sein Regenschirm hatte schon vor einer halben Stunde den Kampf gegen die Windböen verloren. Also hatte sich Majors unter einen der umstehenden Nadelbäume gerettet, der allerdings auch nicht lange vor dem Regen schützte. Mit jedem Windstoß prasselten neue Tropfenkaskaden auf ihn herunter.
    Warum war er nach Moreton gekommen? Aus professioneller Neugier? Weil er sehen wollte, wer dem Begräbnis beiwohnte? Oder war es eine Art nostalgisches Gefühl, das ihn hierhergeführt hatte? Wollte er sich von dem Mann verabschieden, dessen Geheimnis nun zu seinem geworden war?
    Die kleine Prozession von der Kirche zum Grab war eine Aneinanderreihung von schwarzen Regenschirmen, die im Regen glänzten. Es roch nach nassem Efeu und frisch geschnittenem Buchsbaum. Der Sarg, nur mit einem Union Jack bedeckt, ohne Blumen und Kränze, sah etwas ärmlich aus. Als die letzten Angehörigen und Freunde in gemessenem Schritt vorbeigezogen waren, reihte sich Majors in den Trauerzug ein. Es war niemand dabei gewesen, den er kannte. Shaws Mutter fuhr nach wie vor auf einem Boot den Yangtse in China hinunter und hatte keine Ahnung, dass ihr berühmter Sohn gestorben war. Einer der beiden noch lebenden Brüder von Shaw war verhindert gewesen. Hatte Majors den anderen übersehen, oder war er einfach nicht gekommen?
    Als die Totengräber den Sarg in das Grab hinunterließen, wartete der Colonel auf ein Schluchzen aus den Reihen der Trauernden. Doch da war nur Stille, Schweigen und das Hämmern der Regentropfen, die auf die Schirme trafen.
    Majors blieb unter seinem Baum stehen, bis der letzte Trauernde gegangen war. Dann trat er an das offene Grab und blickte auf den einfachen Sarg hinunter, dem irgendwer eine einsame Rose nachgeworfen hatte. Der Regen rann ihm in den Nacken, kalt und unangenehm.
    »Für dich ist das Spiel hier zu Ende«, sagte er leise, »aber ich halte die Fäden in der Hand, die du fallen gelassen hast. Hitler und die restliche braune Brut, das wäre sowieso nichts für dich gewesen, glaub mir. Besser, dass du nicht nach Berlin gefahren bist. Lawrence of Arabia hätte seinen Mythos verloren …«
    Majors zog Shaws alte Motorradbrille aus seiner Manteltasche und warf sie ins Grab. »Mach’s gut, alter Junge«, sagte er und tippte mit zwei Fingern an die Hutkrempe.
    Dann zog er die Schultern hoch, drehte sich um und stapfte durch den Regen davon.

7 Das Schlangennest

Hochtal Rumbur, nahe Chitral, nordwestliche Grenzprovinz/Pakistan
    Chief Inspector Salam machte sich Sorgen. Nach seinem Telefonat mit Major Llewellyn hatte er auf dessen Anweisung das eingeschaltete Handy an der vereinbarten Landestelle liegen lassen. Versteckt zwar, als eine Art elektronisches Leuchtfeuer, aber trotzdem. Denn wer wusste, wie weit die ISI bereits war? Hatten sie seine Spur schon? Wenn der Geheimdienst die Gespräche in der Region mitschneiden ließ und nach dem Telefon suchte, dann würden sie das Handy finden und damit seinen Fluchtplan ein für alle Mal vereiteln. Aber das Risiko musste er in Kauf nehmen.
    Nachdem seine beiden Leute nach Afghanistan aufgebrochen waren, war Salam im Licht des anbrechenden Tages durch das Dorf gestreift. An Schlaf war nicht mehr zu denken, im Gegenteil. Er war mit seinen Gedanken bei Kala und ihrem Vater, bei Zeyshan und seinen Männern.
    Er hatte sich nicht getraut, das Handy ein weiteres Mal zu benutzen, nicht einmal, um seine Frau anzurufen. Er hoffte inständig, dass sie in Sicherheit war, weit weg von dem Wahnsinn dieses Geheimdienstkrieges.
    Nachdem er von seinem Spaziergang zurückgekommen war, immer bewacht von den wachsamen Kalash-Kriegern, hatte er bis weit in den Tag hinein auf der kleinen Veranda des Hauses gesessen. Wohin hätte er auch gehen sollen? Wenn

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