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Heiß

Heiß

Titel: Heiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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er sein!«
    Der ISI -Agent sprang auf, hastete zu dem Fluglotsen und schaute ihm über die Schulter. Genau in diesem Moment verlosch der Punkt und tauchte nicht wieder auf. »Was zum Teufel …«, zischte der Mann im weißen Hemd.
    »Tiefflug unter hundertzwanzig Metern und verdammt schnell«, konstatierte der Fluglotse mit einem bewundernden Unterton. »Unsere Station in Sakhakot hat ihn verloren. In diesem Gelände glatter Selbstmord für alle, die nicht im Cockpit geboren wurden.«
    »Wann bekommen wir ihn wieder auf den Schirm?«, fragte der Geheimdienstmann.
    Der Fluglotse schüttelte den Kopf. »Gar nicht mehr, außer er macht einen Fehler. Wenn er in den Tälern bleibt, dann ist er unsichtbar.«
    »Dann werden wir dafür sorgen, dass er einen Fehler macht!«, schäumte der Agent vor Wut. »Ich habe zwar noch immer keine Ahnung, was das soll und was er an den Zielkoordinaten abwirft, aber ich kriege ihn!«
    Er stürmte mit großen Schritten durch den Raum zurück an seinen Platz und wies anklagend auf das Telefon. »Wo bleibt meine sichere Leitung, verflucht noch mal? Funktioniert hier eigentlich irgendetwas? Sofort Alarm an die Luftstreitkräfte. Wir müssen die Abfangjäger der Peshawar Air Base in die Luft kriegen! Haben wir einen AWACS über dem Gebiet?«
    »Negativ«, ließ sich der Einsatzleiter vernehmen. »Ich weiß nicht, welche Schwadron derzeit in Peschawar stationiert ist und ob überhaupt Abfangjäger startklar sind. Wir befinden uns nicht im Krieg.«
    »Dann finden Sie es raus, und zwar rasch!«, brüllte der Agent, bevor er sich in seinen Stuhl fallen ließ und das Telefon anstarrte. Als es endlich läutete, hob er aufatmend ab.
    Der Einsatzleiter hatte ihn nicht aus den Augen gelassen. Als er sah, dass der ISI -Agent mit der Zentrale des Geheimdienstes telefonierte, zog er seinerseits verstohlen sein Handy aus der Tasche und wählte.
    Der Anruf in Peschawar konnte noch ein wenig warten.
    Als es am anderen Ende der Leitung läutete, begann er zu zählen. Nach dem sechsten Läuten legte er auf und wählte erneut. Diesmal ließ er es zweimal läuten, bevor er die Verbindung unterbrach. Schließlich wählte er ein drittes Mal. Sofort nach dem ersten Klingelton wurde abgehoben.
    »Ja?«, meldete sich eine weibliche Stimme unverbindlich.
    »Der Flug des Phönix ist pünktlich«, sagte er leise. Dann legte er auf.

Sonntag, 19 . Mai 1935 , Bovington Militärbasis, Dorset/Großbritannien
    Die Wolken sehen aus wie Wattebäusche, die sich von innen aufblasen, in den hohen Himmel wachsen, unentwegt ihre Gestalt verändern. Dreihundert Kilometer durch die Wüste. Weiße Schatten auf Kamelen, wie ein Spuk, immer weiter, keine Rast. Wind im Gesicht, brennender Wind direkt aus der Hölle Afrikas.
    Heiß.
    Unter dem blauen Himmel laufen Gleise durch die Steppe, winden sich wie Metallschlangen, dröhnen unter der Wucht der Räder. Wild brüllende Menschen stürmen vorwärts, eine Feuerzunge steigt auf, Schwellen und Schienenstücke schießen wie Schrapnelle durch die Luft, während gleichzeitig eine Steinfontäne emporwächst, die nur langsam wieder in sich zusammenfällt. Waggons entgleisen, Menschen schreien, Pferde wiehern. Ein Mann fällt, von zahllosen Kugeln getroffen, von der Plattform eines der Wagen. Während er herabstürzt, die Arme weit ausgebreitet, sieht er einen Moment aus wie Jesus, der vom Kreuz fällt.
    Panoptikum der Farben.
    Filmriss.
    Blitze in einer rabenschwarzen Kammer, die kein Oben und kein Unten kennt. Lächerliche Gefühle, hinweggefegt von einer Welle aus Selbstmitleid. Trauer? Um wen?
    Leben.
    Film im Zeitraffer, rasende, sich verfolgende Bilder aus vier Jahrzehnten, ruhelos, wie eine Talfahrt in einer Seilbahn, deren Sicherungsseil gerissen ist. Oxford College und verstohlene Blicke auf die Kommilitonen, verbotene Berührungen. So frisch, so nah.
    Lang vorbei.
    Sonnige Tage in Oxford. Lachen und Spiele, keine Angst vor morgen.
    Afrika. Arabien. Hochgewachsene Gestalten, braune Haut. Und Karten, immer wieder Karten …
    Die Linien zerfließen, nehmen die Form von Dahoums Gesicht an, des geliebten, so heiß begehrten Dahoum. Kairo, die schwülen Nächte und die Angst, erwischt zu werden. Flucht durch dunkle Seitengassen. Das Lachen der Männer.
    Akten bis zur Decke.
    Stets aufs Neue Aktenberge und Karten, Berichte und Aufzeichnungen, dann die ersten seltsamen Funde. Hinweise.
    Chinguetti.
    Ungläubige Verwunderung, dann die fieberhafte Suche nach der Wahrheit.
    Tod.
    Beduinen,

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