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Heiß

Heiß

Titel: Heiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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eines Landes, um dann darüber eine Vortragsreise zu halten.«
    »Also, um auf das Manuskript zurückzukommen …«, hakte Morgan nach. Majors überlegte, wie viel er dem neugierigen Naseweis verraten konnte, ohne ihn misstrauisch zu machen.
    Oder wie wenig.
    »Lawrence hat sein Manuskript zu den
Sieben Säulen
ein Jahr nach Kriegsende vollendet, also 1919 «, begann der Colonel, während einer der roten Doppeldeckerbusse an ihnen vorbei die Charing Cross Street entlangrollte und ihn fast übertönte. »Er hatte im selben Jahr mit Gertrude Bell an der Pariser Friedenskonferenz teilgenommen. Allein die Vorstellung, was er alles verraten könnte, brachte eine, nun sagen wir, gewisse Unruhe in bestimmte Ämter und Abteilungen. Nachdem sich Lawrence standhaft geweigert hatte, die Seiten vorab dem Service zum Lesen zu überlassen …«
    »… setzte man Sie auf ihn an, Sir«, fuhr Morgan fort.
    Der Colonel nickte nur. Eine Zeit lang gingen beide Männer schweigsam nebeneinander her.
    »Aber das Einzige, das ich feststellen konnte – selbst nach Interventionen von Freunden –, war ein komplettes Desinteresse seitens Lawrence«, sagte Majors endlich schulterzuckend. »Stur wie ein Kamel.«
    »Das war vor Ihrer Zeit bei den ›Cleaners‹?«, wollte Morgan wissen.
    »Aber ja, lange davor«, nickte Majors, »damals war ich …« Er zögerte. »Ich war bei einer Einheit, die Überzeugungsarbeit leistete, vorwiegend bei uneinsichtigen Zeitgenossen.«
    »Aber Lawrence ließ sich nicht überzeugen«, stellte Morgan fest. »Er war nach der aus seiner Sicht gescheiterten Friedenskonferenz frustriert und deprimiert, machte England dafür verantwortlich, dass seine Mission bei den Arabern mehr oder minder ein Fiasko war.«
    »Sie können auch stinksauer sagen«, grinste der Colonel. »Lawrence war ein politischer Tagträumer, manchmal sogar ein Phantast. Wie auch immer – er wollte das Manuskript nicht aus der Hand geben. Also organisierte ich den Zugriff. Als er bei einer Zugreise von Oxford nach London für einen Moment sein Abteil verließ und seine Tasche unbewacht war, wechselte sie den Besitzer. Und der Service hatte etwas zu lesen …«
    »… während Lawrence noch frustrierter wurde und in eine Depression stürzte«, vollendete Morgan. »Es war die einzige Version der
Sieben Säulen?«
    »Glücklicherweise«, lächelte Majors. »Und so sollte es bis zum Jahr 1926 dauern, bevor Lawrence eine gekürzte, sehr gestraffte Version seiner Erlebnisse herausbrachte. Das Manuskript war wunderbarerweise wiedergefunden worden, allerdings mit einigen wesentlichen Lücken. Es fehlten ein paar Hundert Seiten. Vielleicht hatte unser arabischer Held den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden? Jedenfalls waren, als das Buch 1926 erschien, alle sensiblen Fragen und heiklen Stellen des Manuskripts ausgelassen worden.«
    »Was angesichts der Auflage von zweihundert Exemplaren, die alle in feinstes Leder gebunden worden waren und an ausgesuchte Leser gingen, auch keinen großen Unterschied gemacht hätte«, bemerkte Morgan wie nebenbei, doch in Majors Gehirn begann eine ganze Batterie Alarmsirenen zu heulen.
    Er bog in die schmale Straße ab, die direkt zum Leicester Square führte und überlegte fieberhaft, während er Morgans rasche Schritte hinter sich hörte, der sich redlich bemühte, ihm zu folgen. Was wollte der Junior-Sherlock von ihm? Ahnte er etwas?
    Abrupt blieb er stehen, drehte sich um, und Morgan rannte fast in ihn hinein. »Was ist der eigentliche Grund für Ihren Besuch, Großhirn? Sie treffen mich wie zufällig in der Charing Cross Road, obwohl meine Wohnung in Haymarket ist. Dann fragen Sie mich über Dinge aus, die Sie anscheinend sowieso besser wissen als ich. Lawrence ist tot und begraben, Sie waren in Dorset mit dabei. Also, was wollen Sie?«
    »Eine erste Fassung des Texts vollendete Lawrence bis 1919 , wie Sie völlig richtig bemerkt haben, Sir«, begann Morgan, als dozierte er vor einer Schar wissbegieriger Studenten. »Nach dem Diebstahl im Zug verfasste er aus seiner Erinnerung heraus in einem Jahr eine zweite Version des Buches und überarbeitete sie bis 1922 . Diese Fassung, heute bekannt als die Oxford-Version, hatte einen Umfang von 335 000 Worten. Danach nahm Lawrence weitere Korrekturen vor und ließ sich von Freunden überreden, eine gekürzte Fassung anzufertigen – also noch kürzer, als der bereits gestraffte Text der Oxford-Version.«
    »Ich sehe nicht ganz, worauf Sie hinauswollen, Großhirn«, warf

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