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Heiß

Heiß

Titel: Heiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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der Colonel ein und lief achselzuckend weiter. Morgan ließ sich nicht beeindrucken und folgte ihm.
    »Lawrence, von dem Diebstahl seines Manuskripts, der Neufassung und den vorhergehenden Repressalien durch den Secret Service bereits stark angeschlagen, entwickelte dabei zunehmend eine fast schon feindliche Distanz zu seinen Erlebnissen und dem Text«, fuhr Morgan fort. »Oder war es der stetig steigende Druck des Geheimdienstes seiner Majestät, der ihn mürbe und müde machte?«
    Sie hatten den Leicester Square erreicht. Das Empire Theatre of Varieties lag zu ihrer Rechten, das ziemlich heruntergekommene und verlassen daliegende Alhambra, das bald abgerissen werden sollte, zu ihrer Linken. Trauben von Menschen genossen den Sommer und spazierten durch den kleinen Park, in dessen Mitte die Statue von William Shakespeare thronte.
    »So entstand die Version mit einem Umfang von 250 000 Wörtern, die 1926 aufwendig gebunden und üppig illustriert an etwa zweihundert zahlungskräftige Interessenten verkauft wurde«, erinnerte Morgan den Colonel. »Mit erheblichem finanziellem Verlust für Lawrence, der sowieso damals unter chronischem Geldmangel litt. Um genau diese Verluste wettzumachen, brachte er 1927 eine nochmals gekürzte Version unter dem Titel
Aufstand in der Wüste
für das breite Publikum heraus.«
    »In beiden Fällen hatte der Secret Service nichts dagegen einzuwenden, wenn Sie das meinen«, warf Majors ein.
    »Was mich nicht wundert.« Morgan lächelte. »Schon die Oxford-Version war nur mehr ein Bruchteil des entwendeten Manuskripts, dann strich er noch mal rund 90 000 Wörter, und die letzte Version kann dann schon mit Fug und Recht als Taschenbuch bezeichnet werden. Es war wohl nichts mehr übrig geblieben, was die Staatssicherheit des Empire hätte gefährden können. Daher auch meine Frage von vorhin: Welches Manuskript liegt der jetzigen Veröffentlichung zugrunde?«
    »Soviel ich weiß, ist es die Version von 1926 «, antwortete Majors scheinbar gleichgültig und schwang unternehmungslustig seinen Spazierstock. »Gehen wir durch den Park und die Penton Street, das ist der schnellste Weg zu mir nach Hause.« Er bemühte sich, unbeteiligt zu wirken, doch seine Gedanken rasten. Diese miese kleine Ratte war hinter etwas her, er spürte es. Möglicherweise hinter ihm und dem Geheimnis von Lawrence. Was hatte Großhirn tatsächlich herausgefunden? Wie viel wusste er? Und vor allem – wer hatte ihn geschickt?
    »Wie ich Ihnen bereits in Dorset sagte, Sir, habe ich mich ein wenig mit Lawrence-Ross-Shaw und seiner Vergangenheit beschäftigt«, fuhr Morgan ungerührt fort, »zumindest soweit es die Grenzen der Geheimhaltung zuließen. Ich habe mich umgehört, mit seinen Freunden gesprochen, über ihn gelesen, die Akten des Secret Service eingesehen, soweit es ging. Und mir ist eines aufgefallen – man trifft in den Archiven und Dossiers immer wieder auf Ihren Namen. Seit seiner Rückkehr aus Arabien waren stets Sie es, der ihn beschattet hat, der Einschätzungen und Berichte verfasst hat, der das Manuskript der
Sieben Säulen
durch einen schnellen Zugriff sicherstellte. Selbst am Ende seines Lebens waren Sie zur Stelle, haben sein Haus geräumt, seine Papiere gesichtet und geduldig gewartet, bis er starb. Insgesamt waren Sie fast siebzehn Jahre lang sein Schatten.«
    Majors sagte nichts und spazierte weiter durch den Park, in dem ein paar Kinder einen dünnen Reifen mit Hilfe eines Stocks vor sich hertrieben. Im stillen verfluchte er sich dafür, dass er Großhirn nach Clouds Hill mitgenommen hatte.
    Er hätte ihn auf die Hebriden schicken sollen – und von da aus weiter nach Norden bis ins Packeis.
    Als sie an der Shakespeare-Statue vorbeikamen, bremste der Colonel seine Schritte, hielt Morgan am Arm zurück und wies auf den großen Schriftsteller, der lässig an einer Säule lehnte und die Passanten mit nachsichtigem Blick zu mustern schien. »Wie schrieb er so richtig? Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erden, als eure Schulweisheit sich erträumt.«
    »Er war es aber auch, der meinte ›Die Hölle ist leer, alle Teufel sind hier‹«, entgegnete Morgan bitter und sah den Colonel lauernd an. »Und langsam glaube ich, er hatte recht.«

Nieder Kirchweg 115 , Frankfurt/Deutschland
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