Heiß
und musste lachen. »So ein Schwachsinn. Sie brauchen eine stärkere Brille. Was nehmen Sie?«
»Das wollte ich auch gerade fragen«, verkündete die Kellnerin, die an ihren Tisch trat und Trapps letzte Worte gehört hatte. »Wir haben auch noch einen Heilbutt, der es nicht bis auf die Karte geschafft hat, weil er so frisch ist, und zarte Kalbsleber mit Rosmarinkartoffeln.«
Calis sah Trapp fragend an. »Kalbsleber ist eine hervorragende Idee, mit den Kartoffeln und einer Insalata Mista«, nickte sie.
»Dann machen Sie zweimal Leber draus und bringen Sie uns dazu eine Flasche Montepulciano und ein großes Mineralwasser«, bestellte Calis, während Trapp den Laptop aufklappte und das System hochfuhr.
»Wie ich Ihnen schon sagte, habe ich mir als Erstes die E-Mails vorgenommen«, begann die Oberkommissarin. »Vielleicht finden wir noch andere Schreiben oder Dokumente auf der Festplatte, aber nachdem ich die gelöschten Mails durchforstet habe, bin ich auf eine Korrespondenz gestoßen, die wenige Tage vor dem Mord in Berlin begann und einen Tag vorher endete. Zu dem Zeitpunkt also, an dem Kreutzer und seine beiden Komplizen bereits auf dem Weg in die Hauptstadt gewesen sein mussten. Der Absender ist ein mysteriöser J.v.S., und der Inhalt ist brisant.« Die Oberkommissarin loggte sich ins System ein und öffnete eine Datei, die sie auf dem Desktop abgelegt hatte. »Ich habe alle Mails zusammengefasst. Es sind fünf insgesamt, und wenn Sie es nicht so eilig gehabt hätten, aus der Werkstatt zu verschwinden, hätte ich Sie Ihnen schon früher gezeigt.«
»Ich habe dem Frieden nicht getraut«, gab Calis zu. »Bruder Kreutzer stand zwar noch unter Schock, aber wahrscheinlich hätte er uns am liebsten Pest und Cholera an den Hals gewünscht und uns den Laptop nie freiwillig mitgegeben. Er wollte den Mörder seines Bruders selbst finden, meinte er. Wie das bei Exlegionären endet, erfordert nicht viel Phantasie.«
»Aber ein netter Abgang für Blondschopf wäre es, geben Sie es zu«, grinste Trapp.
»Ein Zug an Ihnen, der mir Sorgen macht.« Calis schenkte ein Glas Rotwein ein und schob es zu Trapp hinüber. »Sprengung um Sprengung?«
Trapp nickte mit einem schiefen Lächeln, drehte den Bildschirm um und ließ Calis die Mails lesen. »Zusammengefasst geht es um einen Auftrag in B., der mit 500 k honoriert werden soll. B ist gleich Berlin, 500 000 Euro, alles passt. Was mich überrascht ist, dass offenbar niemand wusste, wie der Gegenstand aussieht, der aus der Siemens-Turbinenhalle geholt werden sollte.«
»›Was immer sich hinter der Niete befindet, über die wir gesprochen haben‹,«, zitierte Calis während er las. »Das heißt, sie müssen vorher bereits telefoniert oder sich getroffen haben. Nur über die Höhe des Honorars gab es offenbar Diskussionen. ›Mein Auftraggeber hat Ihrer erhöhten Forderung doch zugestimmt‹, schreibt unser J.v.S. hier. Er war also nur ein Mittelsmann, der die Schmutzarbeit in Auftrag gab.« Calis scrollte weiter. »Klingt wie ein normaler Transportauftrag. Genaue Adresse, Termin Ostermontagabend, möglichst rasche Lieferung nach FF .«
»Frankfurt am Main.«
»Ist mir auch klar.« Calis nahm einen großen Schluck Montepulciano. »Übergabe wie vereinbart. Das ist nicht viel, was wir da in der Hand haben.«
»Lesen Sie die letzte Mail, bevor Sie falsche Schlüsse ziehen«, sagte Trapp. »Es sieht ganz so aus, als hätte Kreutzer Erkundigungen über seinen Auftraggeber eingezogen, bevor er sich auf den Weg nach Berlin machte. Eine Art Rückversicherung? Schien ihm das versprochene Honorar dann doch verdächtig hoch für den Job? Wollte er wissen, was genau er aus der Turbinenhalle holen sollte? Oder hatten ihn seine beiden Legionärsfreunde angestiftet, ein wenig mehr über den spendablen Besteller herauszufinden? Wie auch immer, der Ton wurde schärfer. Es passte Blondschopf ganz und gar nicht, dass jemand den Spieß umdrehte und begann, Fragen zu stellen oder sich auf seine Fersen zu heften.«
Calis überflog die letzte Mail, als die Kellnerin mit den Tellern an den Tisch kam. Die gegrillte Leber duftete verführerisch, und der Kommissar schob den Computer zur Seite. »Vielleicht war das auch der Anlass, warum die drei sterben mussten«, schlug er vor.
»Kreutzer traf sich zweimal mit dem geheimnisvollen J.v.S. und fertigte nicht nur ein Gedächtnisprotokoll an, sondern fotografierte ihn sogar einmal aus der Ferne, offenbar vor dem zweiten Treffen«, berichtete Trapp.
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