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Heiß

Heiß

Titel: Heiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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wie der Boden und der Sand. Das Rot-grau der Steinlandschaft wirkte abweisend, bedrohlich, lebensfeindlich.
    Hier waren Menschen nicht erwünscht, nicht einmal geduldet. Im Adrar-Gebirge herrschten die Sonne und die sengende Hitze, der Wind und die Trockenheit. Seit Jahrtausenden hatte sich in dieser Landschaft nichts verändert.
    Hier war nicht die Pforte zur Hölle, hier war die Hölle.
    Selbst in den Nachtstunden war kein Tier zu sehen gewesen. Die Piste, die der Lkw entlanggerattert war, befand sich in einem überraschend guten Zustand. Keine Felsen auf der Straße, keine tiefen Schlaglöcher, keine Sandverwehungen. Es war alles glattgegangen, zu glatt für den Geschmack des Colonels. Der Unbekannte, der zwischen ihm und Cannotier saß, war schweigsam gewesen, hatte durch die Windschutzscheibe auf das Stück Straße gestarrt, das der Lichtkegel der Nacht entriss. Nun, im Tageslicht, sah er ungläubig auf die Szenerie, die vorüberzog.
    »Sind Sie sicher, dass Sie wissen, was Sie tun?«, hatte er in den Morgenstunden gemurmelt, nachdem eine rot glühende Sonne über dem Plateau in den Himmel gestiegen war und die Einsamkeit und Kargheit aus der Dunkelheit geschält hatte. »Hierher verirrt sich nicht einmal jemand aus Zufall. Hier ist das Ende der Welt.«
    »Perfekt für das Archiv, finden Sie nicht auch?«, hatte Majors gefragt. »Oder hätten Sie die Kisten lieber in Dakar untergestellt, gleich neben dem Café, und auf die Deutschen gewartet?«
    Der kleine Mann hatte nicht geantwortet, starr geradeaus geblickt und geschwiegen. Eine halbe Stunde später hatte er gemurmelt: »Vielleicht haben Sie recht.«
    Zwei Stunden später waren sie am Ziel angelangt. Oder zumindest da, wo Cannotier und Majors ihr Ziel vermuteten. Nach einigen Peilungen mit Kompass und Sextant, die der junge Franzose von seinem Vater erhalten hatte, nickte er schließlich Majors zu: »Hier müssen wir von der Straße runter. Den Legenden der Eingeborenen nach liegen die sieben Säulen keine fünf Kilometer östlich von hier.«
    »Sieben Säulen?«, wunderte sich der französische Geheimdienstmann. »Welche sieben Säulen?«
    »Eine Felsformation im Adrar-Gebirge«, erklärte Cannotier kurz angebunden. »Hier in den Bergen gibt es einige wenige Höhlen, die von seit langem versickerten Flussläufen gegraben wurden. Zehn Kilometer nördlich von hier liegt Atar, eine uralte Handelsstadt, an der Kreuzung von zwei Karawanenrouten. Wir sind mitten in jahrtausendealtem Kulturland, auch wenn es tatsächlich nicht danach aussieht. Und doch weit genug entfernt von jeder westlichen Zivilisation.«
    Das Misstrauen stand dem Franzosen ins Gesicht geschrieben. Er kniff die Augen zusammen und musterte zuerst Majors, dann Cannotier. »Sie haben also nach einem ganz bestimmten Platz gesucht«, stellte er fest. »Warum dieser und kein anderer?«
    »Warum wird wohl das Gold dreier Staaten in diesen Teil Afrikas gebracht«, fragte ihn Majors. »Weil hier niemand danach suchen wird. Sehen Sie sich um! Was wünschen Sie sich noch für das Archiv des französischen Geheimdienstes? Einen Safe?«
    Der Unbekannte schien nicht wirklich überzeugt und blickte grübelnd auf Cannotier, der wieder eine Messung mit dem Sextanten vornahm.
    Vorsichtig bogen sie mit dem Lkw in ein ausgetrocknetes Flussbett ab, das rechtwinkelig von der Piste nach Osten abzweigte und von niedrigen, verkrüppelten Bäumen gesäumt war.
    »Ich habe keine Ahnung, wie weit wir kommen, aber jeder Meter ist ein Gewinn«, murmelte Majors und versuchte, den größten Steinen auszuweichen.
    Die Sonne stieg höher und brannte unbarmherzig auf die versteinerte Landschaft. Kein Schatten weit und breit. Selbst die wenigen niedrigen Sträucher hatten die Farbe der Felsen angenommen und sahen aus wie versteinert.
    Die Welt schien auf Felsen, Sand und Hitze reduziert.
    Der Lkw schaukelte über die Schotterhalden. Cannotier versuchte nicht daran zu denken, welche Folgen ein Reifenplatzer haben würde. Es gab Dinge, die malte man sich nicht aus.
    Dann war die Fahrt zu Ende. Am Fuße eines Berges, der aus sieben kleineren Formationen bestand, stieg Cannotier aus und nahm eine letzte Peilung. Dann nickte er befriedigt und lehnte sich ins Innere des Lastwagens. »Von hier geht es zu Fuß weiter«, sagte er, zog ein Tuch aus der Tasche, das er sich um den Kopf band und stülpte einen breitkrempigen Hut darüber. »Wir sind weniger als einen Steinwurf vom Grab entfernt, wenn die Aufzeichnungen von Lawrence und die

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