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Heiß

Heiß

Titel: Heiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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dem Schrank nach einem Schlüssel, fand aber keinen. Hätte ja sein können, dachte er sich und überlegte. Einer plötzlichen Eingebung folgend schob er den schmalen Schrank von der Wand, warf einen Blick dahinter. An der Rückwand, fixiert mit einem Streifen Klebeband, glänzte ihm der Schlüssel entgegen.
    Hastig schloss Calis auf. Zwei Uniformen hingen nebeneinander, unter durchsichtigen Kleiderhüllen konserviert. Darüber die passenden Hemden in einem Regal, makellos sauber, gebügelt und perfekt gefaltet.
    »Hab ich dich«, flüsterte der Kommissar und zog das oberste Hemd heraus. Die Abzeichen auf den Ärmeln leuchteten wie neu. Neben einem Tigerkopf auf gelb-grauem Grund mit den Buchstaben » CIGS « darüber und den Worten »Operações na selva« darunter, prangten die Spangen mit demselben Motiv, einem Zähne fletschenden Tiger, eingerahmt von Lorbeerranken.
    »Danke, Mr. Compton, woher immer auch Sie Ihre Informationen beziehen«, sagte Calis und warf sich das Hemd mit den Abzeichen über die Schulter. Dann durchsuchte er den gesamten Schrank gründlich von oben bis unten. In einem doppelten Boden fand er ein Notizbuch, ein Fotoalbum und ein Tagebuch, außerdem drei Pistolen und jede Menge Munition.
    »Legio patria nostra« stand in großen Lettern auf dem Umschlag des Tagebuchs. Darunter erkannte Calis die Umrisse Afrikas. Er setzte sich auf den Boden, lehnte sich an die Wand und begann zu lesen.

Bibliotheca Alexandrina, La Corniche, Alexandria/Ägypten
    Der Tag neigte sich dem Ende zu, und der schräg stehende Diskus der Bibliotheca Alexandrina färbte sich in der untergehenden Sonne tiefrot. John Finch hatte jedoch nur Augen für die dunkelgraue, von blauen Lichtlinien durchzogene Kugel, die so seltsam aus dem Boden aufzusteigen schien, als sei es eine schwarze Sonne, aus Stein geboren. Salam, der neben ihm ging, blickte sich fasziniert um.
    »Was für ein Kontrast!«, bemerkte er bewundernd und vergaß für einen Augenblick alle Probleme, angesichts des weitläufigen, hypermodern gestalteten Komplexes. »Das Meer und das Wissen, die ursprüngliche Natur, aus der das Leben entstand, und jahrtausendealte Schriften.«
    Finch, dessen Gedanken bei Fiona waren, hörte ihm nur mit halbem Ohr zu und wies nervös auf die glänzende Metalltafel, auf der in mehreren Sprachen »Planetarium« geschrieben stand. »Das ist der Treffpunkt. In der grauen Kugel da unten.«
    Der Chief Inspector nickte stumm und blickte in eine Art Lichthof hinab, aus dessen Mitte das bizarre Objekt emporwuchs. Kleine Kinder tobten über den Platz hinter ihnen, junge Paare saßen am Rand des riesigen Wasserbeckens und betrachteten den Sonnenuntergang. Auf einer der niedrigen Mauern kauerten ein paar Männer im Burnus und spielten Backgammon.
    »Das Tagungs- und Konferenzzentrum liegt hinter uns. Es ist durch einen unterirdischen Gang mit der Bibliothek verbunden«, erklärte Finch. »Das Planetarium ist allerdings nur über eine einzige Treppe erreichbar. Jede Stunde eine Vorführung, viel Publikum. Wahrscheinlich haben sie es deshalb ausgesucht.«
    »Wir haben noch ein paar Trümpfe im Ärmel«, beruhigte ihn Salam.
    »Mir gefällt es ganz und gar nicht, dass ich Sie alleine da runtergehen lassen soll«, ärgerte sich Finch. »Llewellyns Plan hat mehr Löcher als ein Sieb. Wir wissen nicht mal, wie viele es sind, die da unten auf Sie warten.«
    Salam ergriff ihn am Arm. »Mr. Finch, ich bin auf der Flucht, weit weg von zu Hause. Meine gesamte Familie ist tot, einzig meine Frau lebt noch, hat sich bei ihrer Schwester versteckt. Ich habe kein Heim mehr, meine Freunde sitzen in Gefängnissen, wurden umgebracht oder sind in die Berge gegangen. Alles, was ich noch besitze, trage ich am Leib. Die Wüste mag ein Ort ohne Erwartungen sein, der Hindukusch jedoch ist ein Ort ohne Gnade. Wenn ich hier und jetzt sterben werde, dann ist es Allahs Entscheidung. Ich habe nichts mehr zu verlieren.«
    Er sah nach Westen, wo sich die Sonne anschickte, glutrot im Meer zu versinken. »Man kann nicht unentwegt davonrennen. Sie haben mich gerettet, dafür werde ich Ihnen den Rest meines Lebens dankbar sein. Aber irgendwann wird die Zeit kommen, wieder heimzukehren, auch wenn es kein Heim mehr gibt. Oder zu sterben. Wir Menschen der Berge sind einfach gestrickt.«
    Salam zuckte die Schultern und blickte sich um, sah die Kinder herumtoben. »Wir haben einen Auftrag erhalten, als wir auf diese Welt kamen. Sie zu beschützen, zu erhalten und sie an die

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