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Heiß

Heiß

Titel: Heiß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schilddorfer
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nächste Generation weiterzugeben. Ich habe meinen Teil dazugetan.«
    »Das sind keine Humanisten, die da unten warten«, murmelte Finch ärgerlich. »Die haben nur ein Ziel: Sie in ihre Gewalt zu bekommen, dann umzubringen und das Manuskript frei Haus geliefert zu bekommen. Zwei Fliegen mit einer Klappe.«
    Salams Augen wurden hart. »Ich bin nicht unter Humanisten aufgewachsen, Mr. Finch, sondern zwischen Terroristengruppen, Unabhängigkeitskämpfern, Extremisten und religiösen Fanatikern, Bombenlegern und Selbstmordattentätern. Gerade deswegen bin ich zu dem geworden, der ich heute bin. Aber versprechen Sie mir eines – stellen Sie sich mir nicht in den Weg, wenn ich die Angehörigen des Kommandos in die Finger bekomme. Weil ich Sie sonst töten müsste.«
    Damit wandte sich Salam abrupt um und stieg die Treppen zum Eingang des Planetariums hinunter.
    Finch griff zum Telefon, wählte und sagte: »Er ist auf dem Weg.« Dann legte er auf, lehnte sich ans Geländer und warf einen langen Blick über den großen, mit Steinplatten ausgelegten Platz mit seinen Spaziergängern, den flanierenden Pärchen und den alten Männern beim Backgammon.
    Alles schien ruhig und friedlich.
    In diesem Moment klingelte sein Handy. Mit einem ungeduldigen »Ja?« nahm Finch das Gespräch an.
    »Wir wollten nur kontrollieren, ob der Paki allein zum Treffpunkt unterwegs ist. Sie haben doch nicht wirklich angenommen, der Austausch würde in einer Kugel mit nur einem Ausgang stattfinden?« Der Anrufer gluckste. »Drehen Sie sich um, Mr. Finch, und schauen Sie nach Westen, quer über die Bucht und den Hafen. Dann sehen Sie den neuen Treffpunkt: die Zitadelle von Qaitbay. Bringen Sie Salam dahin, dann können Sie gleich Ihre Freundin in Empfang nehmen. Rechts von der Burg führt eine Stiege vom großen Vorplatz hinauf auf die Mauern. Wir warten oben. Und sollten wir Major Llewellyn oder seine Rentner-Rambos irgendwo in der Nähe sehen, dann lernt Ihre Braut fliegen. Direttissima runter auf die vorgelagerten Felsen.« Er lachte und legte auf.
    Finch ließ das Handy sinken. Als Salam ratlos die Treppen wieder hochgelaufen kam und ihn fragend ansah, zeigte Finch stumm über die Bucht.
    »Sie haben den Ablauf geändert. Wir müssen auf die Zitadelle am anderen Ende der Bucht. Das Planetarium war nur eine Finte.«
    Salam kniff die Augen zusammen und betrachtete die majestätische Silhouette des Forts, das als wichtigste und bedeutendste Verteidigungsanlage entlang der afrikanischen Mittelmeerküste galt. »Ein perfekter Platz, das muss ich zugeben«, meinte er schließlich. »Weitläufig, mit zahllosen Gängen und Treppen, Nischen und Kellern, hohen und breiten Mauerkronen, die alle begehbar sind. Auf den Ruinen des berühmten Leuchtturms erbaut. Ich war vor Jahren einmal dort, während eines Polizeikongresses in Kairo. Das übliche Besuchsprogramm: Pyramiden, Nil, Alexandria.«
    »Damit ist Llewellyns Plan endgültig Makulatur«, stellte Finch lakonisch fest und zog Salam mit sich auf der Suche nach einem Taxi.
    »Also Zeit für Phase zwei«, lächelte der Chief Inspector.
    Finch sah ihn verwirrt an. »Was zum Teufel ist Phase zwei?«
    »Improvisation«, gab Salam zurück und stürzte sich todesmutig in den Verkehr der Corniche, als er auf der anderen Straßenseite ein freies Taxi erblickte.
     
     
    Der riesige Vorplatz der Zitadelle mit seinen alten Kanonen und der etwas schütteren, von der Sonne ausgedörrten Rasenfläche, war noch immer gut besucht, als Finch und Salam auf die Burg zuliefen. Gruppen von Touristen flanierten über die Wege, stiegen auf die breiten Mauern und genossen die Aussicht auf das abendliche Alexandria. Als die Scheinwerfer angingen und die gesamte Zitadelle wie bei einer Filminszenierung schlagartig in ein weiches Licht getaucht wurde, erklang ein kollektives »Aahh!«.
    »Da drüben ist die Treppe!« Finch wich einer Gruppe von Japanern aus, die einer Fremdenführerin mit einer hochgehaltenen Papierpalme folgte. Die Burg mit ihren Türmen und Zinnen erhob sich mächtig und ehrfurchtsgebietend in den Abendhimmel, wie ein wehrhafter, uneinnehmbarer Monolith. Überall leuchteten die Blitzlichter der Kameras auf.
    Auf den untersten Stufen saßen ein paar Teenager, ihre Rucksäcke zu einem Berg geschichtet, und unterhielten sich lachend. Während er neben Salam die Treppe hinauf zu den Festungsmauern stieg, kontrollierte Finch sein Handy.
    Nichts.
    Keine Nachricht, kein Anruf. Sie waren auf sich selbst gestellt.
    Oben

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