Heiß
250 km/h an ihm vorbeirauschte. Cobra 11 , übernehmen Sie. Warum gab’s das immer nur im Film?
Das Telefon läutete erneut und schmetterte das 007 -Bond-Thema in den Innenraum des Golfs.
Alice!
Leise fluchend tastete Calis nach dem Handy. Wo zum Teufel war das Ding hingerutscht?
Während die Gitarrenriffs scheinbar endlos durch den Wagen klangen und es Calis schien, als hätten alle Bond-Girls der vergangenen fünfzig Jahre Zeit, verführerisch aus den Fluten zu steigen, während er also noch immer verzweifelt nach dem Telefon suchte, überlegte er bereits, was er zu Alice sagen sollte. Dass er den Kampf gegen den störrischen Garten von Tante Louise am Ende doch gewonnen hatte und sich auf den nächsten gemeinsamen Urlaub freute? Gerne auch auf Sylt oder Rügen, in St. Tropez oder auf den Malediven?
Quatsch, schüttelte er den Kopf, das würde er sich nie leisten können. Dafür müsste er schon eine Bank überfallen – oder zwei.
Seine Hand fuhr fieberhaft über den Beifahrersitz. Wo war das verdammte Ding nur hin?
Sollte er Alice sagen, dass es ihm leidtat? Dass ihm die Beziehung wichtig war? Er überraschte sich bei den ersten Zweifeln. War sie ihm tatsächlich wichtig?
Der Verkehr auf der Autobahn nahm zu, je näher er dem Hermsdorfer Kreuz kam, und das James-Bond-Thema raubte Calis allmählich den letzten Nerv. Endlich hatte er das Handy gefunden, das tief zwischen Sitzfläche und Rückenlehne gerutscht war. Er drückte rasch auf die grüne Taste, und vor seinem geistigen Auge stieg sein ganz persönliches Bond-Girl aus den Wellen des Meeres. Dunkelhaarig, kurvig und mit glänzenden Wassertropfen auf der gebräunten Haut …
»Alice? Schön, dass du anrufst! Ich bin gerade …«
»Hier spricht das Sekretariat der Rechtsanwaltskanzlei Dorner & Partner«, unterbrach ihn die Stimme auf der anderen Seite kühl. »Herr Calis?« So wie sie es sagte, klang es etwas pikiert und nach einer ansteckenden Krankheit, die keiner haben wollte.
»Öhh, ja, ich habe eigentlich …« Thomas Calis war völlig verwirrt und ärgerte sich, dass ihm die Worte fehlten.
»Frau Dorner hat mich beauftragt, Sie anzurufen. Sie ist in einer wichtigen Sitzung.«
Wer’s glaubt, dachte Calis und sagte laut: »Dann richten Sie ihr bitte aus, ich würde danach gerne mit ihr reden.«
»Ich fürchte, das ist nicht möglich«, ließ ihn die Sekretärin herablassend wissen. »Frau Dorner hat sich entschlossen, die Beziehung zu Ihnen angesichts bestimmter aktueller Vorkommnisse zu beenden.«
»Und um mir das auszurichten, lässt sie ihr Sekretariat anrufen?«, empörte sich Calis. »Das kann sie mir nicht selber sagen?«
»Können schon, wollen nicht«, kam es kühl zurück. »Und es gibt noch einen anderen Grund, warum ich anrufe. Ein Bote hat vor einigen Minuten im Auftrag der Kanzlei einen Koffer mit einigen Ihrer persönlichen Sachen vor Ihrer Wohnungstür deponiert.«
»Aber ich bin auf dem Weg nach Frankfurt«, erwiderte Calis und spürte, wie der Zorn in ihm hochstieg, »und wahrscheinlich erst in einigen Tagen wieder in Berlin!«
Das verbale Achselzucken war nicht zu überhören. »Frau Dorner meinte, Ihre Socken, Hemden und Unterhosen würde schon keiner mitnehmen. Außer vielleicht einer Ihrer Freunde mit einem Hang zum … nun sagen wir, Ausgefallenen?«
»Ich will sofort mit Alice sprechen«, verlangte Calis ungehalten. Seine Vision vom Bond-Girl, aus Schaum geboren, zerplatzte wie eine Seifenblase. Ursula Andress drehte sich wieder um und ging ins Wasser.
»Aber sie nicht mit Ihnen«, beharrte die Sekretärin. »Ganz im Gegenteil. Nach Ihrem Auftritt in den Medien möchte sie mit Ihnen nichts mehr zu tun haben. Frau Dorner legt als Rechtsanwältin großen Wert auf ihr Image in der Öffentlichkeit, und Sie müssen verstehen, dass unter diesen Umständen …«
Thomas Calis unterbrach sie aufgeregt. »Ich muss gar nichts und vor allem nicht meine Beziehung mit dem Sekretariat meiner Freundin diskutieren!« Fast hätte er die Abzweigung auf die A4 in Richtung Weimar und Erfurt übersehen. In letzter Minute wechselte er auf die rechte Spur und schnitt den Fahrer eines Reisebusses, der sich mit einem gehupten Protest und dem Stinkefinger revanchierte.
»Ihrer Exfreundin«, korrigierte ihn die Stimme ungerührt. »Und bitte melden Sie sich nicht wieder.« Damit legte sie auf und unterbrach die Verbindung.
Frustriert warf Calis das Handy auf die Oberseite des Armaturenbretts und schlug mit der flachen Hand aufs
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