Heiße Beute
Mutter von seinen Erlebnissen berichten.
Valerie hatte früher immer besonders viel zu erzählen. Sie war in den Schulchor aufgenommen worden. Sie hatte den Buchstabierwettbewerb gewonnen. Sie war für das Krippenspiel ausgewählt worden. Und Susan Marrone hatte ihr gesagt, Jimmy Wizneski fände sie süß.
Auch ich hatte viel zu erzählen. Ich war nicht in den Schulchor aufgenommen worden. Ich hatte keinen Preis beim Buchstabierwettbewerb gewonnen. Ich wurde nicht für das Krippenspiel ausgewählt. Und ich hatte Billy Bartolucci die Treppe hinuntergestoßen, und er hatte am Knie ein Loch in der Hose.
An der Haustür kam mir Grandma entgegen. »Du kommst gerade rechtzeitig zum Plätzchenessen. Erzähl, wie war dein Tag«, sagte sie. »Bestimmt spannend. Du bist ja ganz mit Essen bekleckert. Bist du hinter einem Mörder her?«
»Ich bin hinter einem Mann her, der wegen häuslicher Gewalt angeklagt ist.«
»Hoffentlich hast du ihn da hingetreten, wo es den Männern am meisten wehtut.«
»Dazu bin ich gar nicht gekommen, aber ich habe ihm seine Pizza vermiest.« Ich setzte mich zu Angie und Mary Alice an den Tisch. »Wie geht’s?«, fragte ich sie.
»Ich bin in den Schulchor aufgenommen worden«, sagte Angie.
Am liebsten hätte ich laut losgekreischt, aber ich unterdrückte es und nahm mir ein Plätzchen. »Und du?«, fragte ich Mary Alice.
Mary Alice trank einen Schluck Milch und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab. »Ich bin ab jetzt kein Rentier mehr, weil, ich habe mein Geweih verloren.«
»Es ist auf dem Nachhauseweg von der Schule abgefallen, und dann ist ein Hund gekommen und hat draufgemacht«, sagte Angie.
»Sowieso wollte ich kein Rentier mehr sein«, stellte Mary Alice klar. »Rentiere kriegen nicht so einen schönen Schwanz wie Pferde.«
»Kennst du Annie Soder?«
»Klar kenne ich die«, sagte Mary Alice. »Die ist in meiner Klasse. Sie ist meine beste Freundin, aber in letzter Zeit kommt sie gar nicht mehr zur Schule.«
»Ich wollte sie heute besuchen, aber sie war nicht zu Hause. Weißt du, wo sie steckt?«
»Nö«, sagte Mary Alice. »Wahrscheinlich ist sie weggezogen. Das passiert, wenn man sich scheiden lässt.«
»Wenn Annie hinziehen könnte, wohin sie wollte – wo würde sie hinziehen?«
»Nach Disney World.«
»Wohin noch?«
»Zu ihrer Oma.«
»Wohin noch?«
Mary Alice zuckte die Schultern.
»Was ist mit ihrer Mutter? Wo würde ihre Mutter am liebsten hinziehen?«
Noch ein Achselzucken.
»Hilf mir doch«, bat ich sie. »Ich suche Annie nämlich.«
»Annie ist auch ein Pferd«, stellte Mary Alice klar. »Annie ist ein braunes Pferd, sie kann nur nicht so schnell galoppieren wie ich.«
Grandma, aufgescheucht von ihren Burgeraner Radarantennen, schritt zur Haustür. Eine echte Burgeraner Hausfrau verfolgt das Geschehen auf der Straße aufmerksam. Eine echte Burgeraner Hausfrau kann Straßengeräusche ausmachen, die das normale menschliche Ohr gar nicht wahrnimmt.
»Sieh einer an«, sagte Grandma, »Mabel kommt in Begleitung. Jemand, den ich noch nie vorher gesehen habe.«
Meine Mutter und ich gesellten uns zu Grandma.
»Schickes Auto«, sagte meine Mutter.
Es war ein schwarzer Jaguar. Fabrikneu. Kein Dreckspritzer, kein Staubfussel. Hinter dem Steuer kam eine Frau hervor. Sie trug eine schwarze Lederhose, schwarze hochhakige Pumps und eine knappe taillierte Lederjacke. Ich kannte die Frau, ich war ihr schon mal begegnet. Sie war das weibliche Gegenstück zu Ranger. Soviel ich wusste, bot sie, genau wie Ranger, diverse Dienste an, einschließlich, aber nicht nur, Personenschutz, Aufspüren von Kautionsflüchtlingen und private Ermittlungen. Ihr Name: Jeanne Ellen Burrows.
4
»Mabels Bekannte sieht aus wie Cat Woman«, sagte Grandma. »Nur ohne die spitzen Katzenohren und die Schnurrhaare.«
Und der Cat Suit war von Donna Karan.
»Die kenne ich«, sagte ich. »Das ist Jeanne Ellen Burrows. Wahrscheinlich hat sie irgendwie mit der Vormundschaftskaution zu tun. Ich muss sie unbedingt sprechen.«
»Ich auch«, sagte Grandma.
»Nein. Du lieber nicht. Bleib im Haus. Ich komme gleich zurück.«
Jeanne Ellen sah mich auf sich zu kommen und blieb auf dem Bürgersteig stehen. Ich gab ihr die Hand. »Stephanie Plum«, stellte ich mich vor.
Sie erwiderte mit einem festen Händedruck. »Ich kenne Sie.«
»Ich nehme an, dass Sie jemand engagiert hat, der auch von der Vormundschaftskaution betroffen ist.«
»Ja, Steven Soder.«
»Mich hat Mabel engagiert.«
»Dann
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