Heiße Beute
der Erde sie sich gerade aufhielt.
Während sie also eine »Beziehung« hatte, schwebte über mir das Damoklesschwert einer einmaligen Liebesnacht mit einem Gorilla. Gut, ich hatte mich in einem Moment der Verzweiflung, beruflich gesehen, auf diesen Handel eingelassen. Seine Hilfe im Tausch gegen meinen Körper. Vielleicht hatte ich sogar meinen Spaß an diesem Flirt gehabt, wenn mir auch leicht mulmig dabei war. Und es stimmt, ich finde den Mann anziehend. Ich bin auch nur ein Mensch, verdammte Hacke. Eine Frau, die Ranger nicht anziehend fand, musste jenseits von Gut und Böse sein. Und es ist nicht so, dass ich Morelli jederzeit ins Bett kriegen könnte, leider.
Hier also ich, mit meiner Aussicht auf eine Nacht, und auf der anderen Seite Jeanne Ellen, die so was wie eine Beziehung mit Ranger hatte. Vergiss es, sagte ich mir. Ich hatte keine Lust, mit einem Mann rumzumachen, der möglicherweise etwas Ernsthaftes mit einer anderen hatte.
Ich wählte Rangers Nummer und trommelte mit den Fingern aufs Steuerrad, bis er sich meldete.
»Yo«, sagte Ranger.
»Ich schulde dir gar nichts«, sagte ich. »Die Abmachung gilt nicht mehr.«
Ranger schwieg einige Sekunden lang. Wahrscheinlich wunderte er sich, warum er sich überhaupt auf diesen Handel eingelassen hatte. »Schlechten Tag gehabt?«, fragte er mich schließlich.
»Mein schlechter Tag hat damit nicht das Geringste zu tun«, erwiderte ich und legte auf.
Mein Handy klingelte, und ich überlegte, ob ich drangehen sollte oder nicht. Die Neugier trug den Sieg über die Feigheit davon – was, nebenbei gesagt, bei mir immer der Fall ist.
»Ich hatte viel Stress in letzter Zeit«, sagte ich. »Kann sogar sein, ich habe Fieber.«
»Und?«
»Was, und?«
»Ich dachte, du wolltest noch mal auf eben zurückkommen, als du gesagt hast, die Abmachung gilt nicht mehr.«
Langes Anschweigen.
»Und?«, fragte Ranger.
»Ich überlege.«
»Das verspricht meistens nichts Gutes«, sagte Ranger und legte auf.
Rückzug erschien mir gerade als eine prima Alternative, da fuhr Dotty vor. Sie parkte in der Einfahrt, nahm zwei Einkaufstüten vom Rücksitz und schloss die Haustür auf.
Wieder klingelte es. Ich stöhnte genervt und klappte das Handy auf. »Ja?«
»Warten Sie schon lange?« Es war Jeanne Ellen.
Sofort drehte ich mich um, schaute links und rechts die Straße hinunter. »Wo stecken Sie?«
»Hinter dem blauen Kombi. Es dürfte Sie freuen, wenn ich Ihnen sage, dass Sie heute Nachmittag nichts Wesentliches verpasst haben. Dotty ist heute den ganzen Tag nur ihren hausfraulichen Pflichten nachgegangen.«
»Hat sie gemerkt, dass sie beschattet wurde?«
Es folgte eine kleine Pause; vermutlich hatte Jeanne Ellen meine Unterstellung, ihre Tarnung könnte auffliegen, die Sprache verschlagen. »Selbstverständlich nicht«, sagte sie pikiert. »Ein Treffen mit Evelyn stand heute nicht auf ihrem Programm.«
»Freuen Sie sich nicht zu früh«, sagte ich. »Noch ist nicht aller Tage Abend.«
»Da haben Sie Recht. Deswegen habe ich mir gedacht, bleibe ich noch etwas länger. Nur, wenn wir beide hier stehen und warten, wird’s ein bisschen eng.«
»Und?«
»Deswegen schlage ich vor, Sie verdrücken sich.«
»Kommt gar nicht in Frage. Sie verdrücken sich.«
»Ich melde mich, wenn was anliegt«, versprach Jeanne Ellen.
»Lügen haben bekanntlich kurze Beine.«
»Da haben Sie schon wieder Recht. Dann will ich Ihnen mal was sagen, was keine Lüge ist. Wenn Sie nicht abhauen, jage ich Ihnen eine Kugel in Ihr hübsches Auto.«
Einschusslöcher in der Karosserie machen sich wenig vorteilhaft beim Weiterverkauf. Ich legte auf, ließ den Wagen an und fuhr los. Genau zwei Straßen weiter hielt ich wieder an und stellte den Wagen vor einem kleinen, weißen, ranchähnlichen Haus ab. Ich stieg aus, schloss den Wagen ab und ging um den Häuserblock herum, bis ich genau hinter Dottys Haus stand, auf der Parallelstraße. Es war nicht viel los auf der Straße, und auch bei Dottys Nachbarn gab es keine Anzeichen von häuslichem Leben. Alle waren noch im Einkaufszentrum, beim Fußballspiel, beim Sport, in der Autowaschanlage. Ich schlich mich zwischen zwei Häusern hindurch und kletterte über den weißen Lattenzaun, der Dottys Garten umgab. Dann ging ich durch den Garten und klopfte an Dottys Hintereingang.
Dotty machte auf und sah mich entgeistert an, überrascht, dass eine fremde Person sich auf ihrem Grundstück herumtrieb.
»Ich bin Stephanie Plum«, sagte ich. »Ich hoffe, ich
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