Heiße Beute
habe Sie nicht verschreckt, weil ich hier einfach so hereinplatze.«
Das Erstaunen wich Erleichterung. »Ja, natürlich, jetzt fällt es mir ein: Ihre Eltern wohnen neben Mabel Markowitz. Ich bin mit Ihrer Schwester zusammen zur Schule gegangen.«
»Ich würde Ihnen gerne ein paar Fragen über Evelyn stellen. Mabel macht sich Sorgen wegen ihr, und ich habe ihr versprochen, mal Nachforschungen anzustellen. Ich bin an den Hintereingang gekommen, weil jemand vor Ihrer Haustür steht und den Eingang beobachtet.«
Dotty klappte den Mund auf, ihre Augen weiteten sich.
»Ich werde beobachtet?«
»Steven Soder hat eine Privatdetektivin beauftragt, nach Annie zu suchen. Die Frau heißt Jeanne Ellen Burrows, und sie sitzt in einem schwarzen Mercedes, hinter dem blauen Kombi. Der Wagen ist mir aufgefallen, als ich hierher fuhr, und ich wollte nicht, dass die Frau mich sieht, deswegen bin ich zum Hintereingang gekommen.« Da bist du platt, was, Jeanne Ellen Burrows? Volltreffer.
Krawumm!
»Schreck lass nach«, sagte Dotty. »Was soll ich denn jetzt machen?«
»Wissen Sie, wo Evelyn ist?«
»Tut mir Leid. Nein. Evelyn und ich haben irgendwie den Kontakt verloren.«
Sie log. Sie hatte zu lange gezögert mit dem Nein. Und jetzt sprossen rötliche Flecken in ihrem Gesicht. Sie war die schlechteste Lügnerin, die mir je untergekommen war. Eine Schande für die Frauen von Burg. Burgeranerinnen können einem das Blaue vom Himmel herunterlügen. Kein Wunder, dass Dotty nach South River umgezogen war.
Ich betrat ungefragt die Küche und schloss die Tür hinter mir. »Hören Sie«, sagte ich, »wegen Jeanne Ellen brauchen Sie keine Angst zu haben. Die ist nicht gefährlich. Sie dürfen sie bloß nicht zu Evelyn führen.«
»Sie meinen, gesetzt den Fall, ich wüsste, wo sich Evelyn aufhielte, sollte ich mich vorsehen, sie zu besuchen.«
»Vorsicht allein reicht nicht. Jeanne Ellen wird Sie verfolgen, und Sie werden es nicht mal merken. Meiden Sie Evelyn. Am besten, Sie halten sich ganz von ihr fern.«
Der Ratschlag schien Dotty gar nicht zu gefallen. »Hmm«, sagte sie.
»Können wir uns über Evelyn unterhalten?«
Dotty schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht über Evelyn reden.«
Ich gab ihr meine Visitenkarte. »Rufen Sie mich an, wenn Sie es sich anders überlegt haben. Sollte Evelyn sich bei Ihnen melden und Sie müssen zu ihr, könnte ich Ihnen dabei behilflich sein. Sie können Mabel anrufen und sich bei ihr nach mir erkundigen.«
Dotty las die Karte und nickte. »Gut.«
Ich verschwand wieder durch den Hintereingang, schlich durch den Garten zur Straße, den halben Block zurück zu meinem Auto und fuhr nach Hause.
Als ich aus dem Aufzug trat, spürte ich, wie mich beim Anblick von Kloughn im Hausflur der Mut verließ. Er saß auf dem Boden, lehnte mit dem Rücken an der Wand, die Beine ausgestreckt, Arme vor der Brust verschränkt. Als er mich sah, strahlte er übers ganze Gesicht, und er rappelte sich hoch.
»Sie waren ja den ganzen Nachmittag weg«, sagte er. »Wo waren Sie? Sie haben doch nicht etwa Bender gefasst, oder? Ohne mich? Das würden Sie mir nicht antun. Wir sind doch ein Team, oder etwa nicht?«
»Ja, ja«, lenkte ich ein. »Wir sind ein Team.« Ein Team ohne Handschellen.
Ich schloss die Wohnungstür auf, und wir beide verzogen uns in die Küche. Vorher riskierte ich einen Blick auf den Anrufbeantworter. Die Anzeige blinkte nicht. Keine Nachricht von Morelli, der mich um eine Verabredung anflehte. Nicht, dass Morelli mich jemals angefleht hätte, aber man durfte doch noch hoffen. Innerlich stieß ich einen Seufzer aus. Dann würde ich also den Samstagabend mit Kloughn verbringen. Das war wie die ewige Verdammnis.
Kloughn sah mich erwartungsvoll an, wie ein Schoßhündchen, die Augen strahlten, der Schwanz wedelte, als wartete er darauf, dass Frauchen mit ihm Gassi ging. Allerliebst – auf seine nervtötende Art.
»Und jetzt?«, fragte er. »Was machen wir jetzt?«
Das musste ich mir noch überlegen. Das Problem war meist, den NVGler überhaupt erst mal zu finden. Bei Bender lag die Sache anders. Finden würde ich Bender jederzeit, das Problem bei ihm war, an ihm dranzubleiben.
Ich machte den Kühlschrank auf und glotzte hinein. Mein Motto lautete schon immer: Iss was Leckeres, wenn alles schief läuft. »Wir kochen uns was.«
»Oh, Mann, eine selbst gekochte Mahlzeit. Das wäre jetzt genau das Richtige. Seit Stunden habe ich nichts gegessen. Außer einem Schokoriegel, kurz bevor Sie kamen,
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