Heiße Beute
auch nicht sehen.
Dotty schaute von ihrer Tasse auf und blickte angestrengt. Ich folgte der Richtung ihres Blicks, aber ich konnte weder Evelyn noch Annie ausmachen. So intensiv hielt ich Ausschau nach Evelyn und Annie, dass ich den rothaarigen Kerl, der sich jetzt seinen Weg zu Dotty bahnte, beinahe nicht bemerkt hätte. Es war Steven Soder. Im ersten Moment wollte ich ihn abfangen. Ich wusste nicht, was er hier zu tun hatte, er würde mir alles nur kaputtmachen. Evelyn würde weglaufen, wenn sie ihn sah. Aber dann – dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich Trottel, natürlich: Dotty wartete auf Soder.
Soder holte sich einen Kaffee und ging damit zu Dottys Tisch. Er setzte sich ihr gegenüber und fläzte sich auf seinen Stuhl. Eine arrogante Pose. Ich konnte sein Gesicht erkennen, es erschien mir wenig freundlich.
Dotty beugte sich vor und sagte etwas zu Soder. Er lachte schief, ein Zähnefletschen fast, dazu nickte er mit dem Kopf. Die beiden unterhielten sich kurz. Soder stach mit dem Finger vor Dottys Gesicht in die Luft und sagte etwas, das sie erbleichen ließ. Er stand auf, machte noch irgendeine Bemerkung zum Schluss und ging. Seinen Kaffee ließ er unangetastet auf dem Tisch stehen. Dotty fasste sich wieder, prüfte nach, ob Soder auch wirklich außer Sichtweite war, und ging dann ebenfalls.
Ich ging hinter ihr her auf den Parkplatz. Sie stieg in ihren Wagen, und ich lief zu meinem. Liebe Scheiße, das Auto war weg! Mein Auto war weg! Ich bin zwar ein bisschen neben der Tasse manchmal, aber wo ich mein Auto abgestellt habe, weiß ich meistens noch. Ich schritt die ganze Reihe auf und ab und auch die nächste. Kein Auto.
Dotty glitt aus ihrer Parkbucht, Richtung Ausfahrt. Ein schnittiger schwarzer Wagen folgte in einem kurzen Abstand dahinter. Jeanne Ellen.
»Verdammte Hacke!«
Ich stieß die Hand in meine Tasche, fingerte nach dem Handy und drückte wütend Rangers Nummer.
»Ruf sofort Jeanne Ellen an und stell fest, was sie mit meinem Auto gemacht hat«, sagte ich zu Ranger. »Jetzt sofort!«
Eine Minute später rief Jeanne Ellen an. »Ich glaube, ich habe vor dem Feinkostladen einen schwarzen Honda CRV stehen sehen«, sagte sie.
Ich drückte so fest auf die Endtaste, dass mein Fingernagel abbrach. Das Handy ließ ich wieder in meiner Tasche versinken, dann stürmte ich los, die Einkaufsstraße entlang zum Feinkostladen. Ich fand mein Auto und untersuchte es kurz. An der Stelle, wo Jeanne Ellen das Türschloss geknackt hatte, waren keine Kratzer zu erkennen, auch keine losen Drahtenden von einem möglichen Kurzschluss. Auf irgendeine mysteriöse Weise, ohne auch nur die geringste Spur zu hinterlassen, war sie in den Wagen hineingekommen. Ein Trick, den Ranger perfekt beherrschte, den ich dagegen nicht mal hoffen durfte, jemals anwenden zu können. Die Tatsache, dass Jeanne Ellen ihn kannte, wurmte mich tierisch.
Ich verließ die Shopping Mall und kehrte zurück zu Dottys Haus. Es war niemand da. In der Einfahrt stand auch kein Auto. Wahrscheinlich hatte Dotty Jeanne Ellen schnurstracks zu Evelyn geführt. Und wenn schon, für mich sprang sowieso kein Geld bei dieser Sache heraus. Halt: So einfach konnte ich es mir nun auch wieder nicht machen. Wenn ich mit nichts in der Hand bei Mabel antanzte, bekäme ich nur wieder ihre Jammerarie zu hören. Eher ging ich durch heiße Lavaströme oder wandelte auf Glasscherben, als mir noch mal eine in Tränen aufgelöste Mabel anzutun. Das musste nicht sein.
Bis zum frühen Nachmittag hielt ich es vor dem Haus aus. Ich las Zeitung, feilte meine Fingernägel, ordnete den Inhalt meiner Umhängetasche und telefonierte eine halbe Stunde lang über mein Handy mit Mary Lou Stankovik. Von dem Eingesperrtsein kribbelte es in meinen Beinen, und meine Pomuskeln waren eingeschlafen. Zwischendurch musste ich viel an Jeanne Ellen Burrows denken, und meine Gedanken waren nicht gerade menschenfreundlicher Natur. Nach einer halben Stunde hatte ich mich sogar in eine richtige Stinkwut hineingesteigert. Jeanne Ellen hatte dickere Titten und einen schmaleren Hintern als ich. Sie war die bessere Kopfgeldjägerin, sie hatte ein schickeres Auto, und sie trug eine Lederhose. Das konnte ich alles akzeptieren. Nicht akzeptieren konnte ich dagegen die offenkundige Tatsache, dass sie irgendwie mit Ranger liiert war. Eigentlich war ich davon ausgegangen, dass ihre Beziehung zu Ende war, aber damit lag ich eindeutig daneben. Er wusste jede Sekunde des Tages, an welchem Fleck
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