Heiße Beute
Kostümen, schätzungsweise einsachtzig. Die Luftballons haben wir in deinem Schrank gefunden. Die Taschen haben sie wieder mitgenommen.«
»Hat jemand gesehen, wie die beiden das Haus verlassen haben?«
»Aus deinem Haus niemand. Wir befragen noch die Nachbarn. Kostümverleihe überprüfen wir auch. Bis jetzt hat sich noch nichts ergeben.«
»Es war Abruzzi. Er hat die Schlangen an meine Tür gehängt, er hat die Spinnen in meinem Auto ausgesetzt, und er war es auch, der die Pappfigur an meiner Feuerleiter aufgehängt hat.«
»Kannst du das beweisen?«
»Nein.«
»Das ist das Problem«, sagte Morelli. »Wahrscheinlich hat sich Abruzzi selbst nicht die Finger schmutzig gemacht.«
»Zwischen Abruzzi und Soder gibt es eine Verbindung. Abruzzi ist doch als Partner in die Kneipe mit eingestiegen, oder?«
»Soder hat die Bar bei einem Kartenspiel verloren. Er hatte sich mit Typen eingelassen, die um hohe Summen spielen, und er brauchte Geld. Das hat er sich von Ziggy Zimmerli geliehen. Zimmerli ist ein Mann aus Abruzzis Stall. Bei dem Spiel hat Soder haushoch verloren, konnte also das von Zimmerli geliehene Geld nicht zurückzahlen. Statt des Geldes hat Abruzzi die Bar übernommen.«
»Und was steckt dahinter, dass die Bar abgebrannt ist und Soder erschossen wurde?«
»Das weiß ich nicht. Wahrscheinlich sind die Bar und Soder von den Aktiva zu den Passiva gewandert und wurden liquidiert.«
»Habt ihr Fingerabdrücke in meiner Wohnung gefunden?«
»Keine, die da nicht hingehören. Ausgenommen die von Ranger.«
»Wir arbeiten zusammen.«
»Ja, ja«, sagte Morelli. »Das weiß ich.«
»Evelyn gehört nicht zu den Verdächtigen, oder doch?«, fragte ich ihn.
»Ein Kaninchen und einen Bär engagieren, um einen Mann zu zerlegen, das kann jeder«, sagte Morelli. »Wir schließen niemanden aus.«
Herzhaft biss ich in mein Croissant. Morelli setzte seine Bullenvisage auf, die gab nicht viel preis. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass er mehr wusste. »Verschweigst du mir etwas?«
»Es gibt da ein Detail, das wir nicht an die Presse gegeben haben«, sagte Morelli.
»Ist es so grauenvoll?«
»Ja.«
»Soll ich raten? Man hat ihm das Herz aus der Brust gerissen.«
Morelli sah mich sekundenlang an. »Dieser Kerl ist komplett durchgeknallt, schlimmer geht’s nicht«, sagte er schließlich. »Ich würde dich ja gerne beschützen, aber ich weiß nicht, wie ich das anstellen soll. Ich könnte dich an mein Handgelenk fesseln oder dich bei mir zu Hause in den Kleiderschrank sperren. Du könntest auch mal ausgiebig Urlaub machen. Aber wie ich dich kenne, wirst du auf keinen meiner Vorschläge eingehen.«
Eigentlich klangen die Vorschläge allesamt sehr attraktiv, aber Morelli hatte Recht, ich würde auf keinen eingehen.
10
Ich trank einen Schluck Kaffee und sah mich im Café um. Es war hübsch eingerichtet, mit neuen schwarzweiß gemusterten Kacheln auf dem Boden und in halber Höhe an den Wänden, dazu gusseiserne Bistrotische und -stühle. Morelli und ich waren die einzigen Gäste. In Burg braucht es seine Zeit, bis sich die Leute für Neues erwärmen können.
»Vielen Dank, dass du gestern Abend so nett zu mir warst«, sagte ich zu Morelli.
Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Ich liebe dich eben, wider bessere Einsicht.«
Ich hielt inne, die Kaffeetasse auf halbem Weg zum Mund, und mein Herz hüpfte vor Freude.
»Freu dich nicht zu früh«, sagte Morelli. »Das heißt nicht, dass ich wieder mit dir zusammen sein will.«
»Es gibt Schlimmeres.«
»Wen? Lizzy Borden?«
»Du bist auch nicht perfekt!«
»Jedenfalls sitzen bei mir zu Hause keine Toten auf dem Sofa.«
»Und ich habe keine Narbe von einer Kneipenschlägerei quer über meiner Augenbraue.«
»Das ist Jahre her.«
»Na und? Der Tote auf meinem Sofa, das war gestern! Also schon vierundzwanzig Stunden her.«
Morelli rückte mit dem Stuhl nach hinten. »Ich muss wieder an die Arbeit. Mach mir keinen Ärger.«
Mit diesen Worten war er auf und davon, zog in den Kampf gegen das Verbrechen. Ich dagegen hatte kein Verbrechen zu bekämpfen. Bender war mein einziger ungelöster Fall, und ich hatte nicht übel Lust, so zu tun, als existierte er gar nicht. Gerade überlegte ich, ob ich mir ein zweites Croissant bestellen sollte, da rief Les Sebring auf meinem Handy an.
»Könnten Sie bitte mal in meinem Büro vorbeikommen?«, sagte er. »Ich muss Sie unbedingt sprechen.«
Ich durchquerte einmal die ganze Stadt und fuhr auf der Suche nach einem
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