Heiße Herzen - kalte Rache
äußerlich kühl bleibend. „Oder hat dein Vater etwa gespielt?“
„Auf vernünftige Weise, ja“, erwiderte Constantine stirnrunzelnd.
„Natürlich.“ Schließlich war Lorenzo Atraeus ein vorbildlicher Geschäftsmann gewesen. „Dein Vater hat an der Börse spekuliert, immer mit abschätzbarem Risiko und besten Hintergrundinformationen. Wir sprechen hier aber von meinem Vater, der nicht nur ein schlechter Geschäftsmann war, sondern auch noch das Geld am Blackjack-Tisch verloren hat.“ Ihr Herz schlug so laut, dass sie befürchtete, Constantine könnte es hören. „Du hast also gar keine Ahnung, was es bedeutet, ständig alles zu verlieren, weil ein Familienmitglied sich nicht unter Kontrolle hat.“
„Meine Familie hat gewisse Erfahrungen mit Verlust“, entgegnete Constantine ernst, und sie erinnerte sich daran, dass die Atraeus’ jahrelang auf Medinos in Armut gelebt und Ziegen gezüchtet hatten. Constantines Großvater war ein Angestellter ihres Großvaters gewesen, bis die Ambrosis ihre Perlenzucht während eines Bombenangriffs im Zweiten Weltkrieg verloren hatten. Doch das alles gehörte längst der Vergangenheit an.
Angespannt beugte sie sich vor. „Du kannst mir glauben, dass es mir nicht leichtgefallen ist, die Firma zu leiten, während mein Vater alles verspielt hat.“
Constantine legte die Hände flach auf den Tisch und beugte sich ebenfalls vor, sodass sich ihre Gesichter gefährlich nahe kamen. „Wenn es so furchtbar war, warum bist du dann nicht rechtzeitig ausgestiegen?“
Mit einem Mal schien die Vergangenheit zu neuem Leben zu erwachen, und Sienna verspürte eine seltsame Freude an diesem Streit. Vielleicht lag es an dem Stress der vergangenen Tage oder daran, dass sie es einfach leid war, ständig die Wahrheit zu verbergen. „Ach, ja? Sollte ich etwa meine Familie und all die Arbeiter von Ambrosi im Stich lassen? Das ist für mich nie infrage gekommen, und ich hoffe, dass es auch dabei bleibt.“ Sie atmete tief durch. „Das wiederum führt uns zu dem Gespräch, das du so dringend mit mir führen wolltest. Wie viel schulden wir euch?“
„Hast du gewusst, dass dein Dad vor zwei Monaten nach Medinos geflogen ist?“
„Nein“, entgegnete sie mit unbewegtem Gesicht.
„Dann weißt du auch nicht, dass er immer noch vorhatte, den Perlenhandel dort wiederzubeleben?“
„Völlig unmöglich.“ Trotzdem verspürte sie plötzlich ein flaues Gefühl in der Magengegend. „Wir hatten ja gerade einmal ausreichend Kapital, um unsere Geschäfte in Sydney aufrechtzuerhalten. Wir wären gar nicht in der Lage gewesen, zu expandieren.“
Etwas in Constantines Blick verriet ihr, dass er zu einer Entscheidung gekommen sein musste – worüber auch immer. Denn er schob ihr ein Dokument zu, das er während ihrer Abwesenheit vorhin auf den Tisch gelegt haben musste. Sorgfältig las Sienna, was darauf geschrieben stand. Plötzlich fühlte sie sich ganz schwach auf den Beinen. Sie verspürte den Drang, sich zu setzen, was sie dann auch tat, um ungläubig den Text erneut zu überfliegen.
Hier handelte es sich nicht nur um einen Kredit, sondern um gleich mehrere Anleihen, die Roberto Ambrosi laut Unterlagen in den Neuaufbau der Perlenzucht auf Medinos stecken wollte. Sienna hatte so etwas befürchtet – die Beträge deckten sich mit den Geldeingängen, die sie in den Unterlagen ihres Vaters gefunden hatte. Sie hatte jedoch die ganze Zeit gehofft, dass es eine andere Erklärung gäbe, das wurde ihr nun bewusst.
Sie hob den Kopf und stellte fest, dass Constantine sie aufmerksam beobachtete. „Warum hat Lorenzo meinem Vater überhaupt etwas geliehen? Er hat doch von seiner Spielsucht gewusst.“
„Mein Vater ist zu diesem Zeitpunkt bereits schwer krank und nicht mehr im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte gewesen. Als er vor einem Monat starb, wussten wir, dass Geld fehlte. Doch die Dokumente mit den Darlehen an deinen Vater sind erst vor fünf Tagen aufgetaucht.“
„Warum hast du ihn denn nicht aufgehalten?“, fragte sie erbost.
„Glaub mir, wenn ich da gewesen wäre, hätte ich das sicherlich getan. Aber ich war nicht da. Ich war zu der Zeit im Ausland.“ Ungeduldig rieb sich Constantine den Nacken. „Ich sehe, dass du langsam verstehst. Dein Vater hat sowohl die Ausgaben von Ambrosi-Pearls als auch seine Spielsucht mit dem Geld der Atraeus-Group finanziert. Dafür hat er einem sterbenden Mann etwas von einem Geschäft in dessen geliebter Heimat erzählt und ihn dazu gebracht, das
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