Heiße Hüpfer
Auch mit ihnen stimmte
etwas nicht. Auf eine sehr gespenstische und beunruhigende Weise ging
hier irgend etwas nicht mit rechten Dingen zu.
Einige Vögel zogen weit oben ihre Kreise, und auch mit ihnen stimmte
etwas nicht. Sie hatten die richtige Form, soweit er das beurteilen konnte, und sie schienen auch die richtigen Geräusche von sich zu geben. Aber
trotzdem wirkten sie irgendwie verkehrt.
Lieber Himmel…
Der Bibliothekar versuchte, nicht zu niesen, doch der Drang gewann
immer mehr nasales Bewegungsmoment. Wer nicht riskieren wol te, den
Rest seines Lebens ohne Trommelfel e zu verbringen, mußte ihm
nachgeben.
Ein Prusten erklang, gefolgt von einem Klappern, und der Bibliothekar
verwandelte sich in ein Objekt, das gut für den Strand geeignet war.
Von Wüsten heißt es häufig, daß sie viel Nahrung bieten – wenn man
weiß, wonach man Ausschau halten muß.
Rincewind dachte darüber nach, als er einen mit Schokoladenguß
überzogenen Rührkuchen aus seinem Bau zog. Es fehlten nicht einmal
die Kokosnußstreusel.
Er drehte den Kuchen vorsichtig.
Nun, eins stand fest: Er fand tatsächlich Nahrung in der Wüste. Und
sie versuchte nicht einmal, vor ihm wegzulaufen oder ihn anzugreifen.
Vielleicht handelte es sich um ein besonderes Talent, über das die
freundlichen Leute, die während der vergangenen Monate gelegentlich
ihre Speisen mit ihm geteilt hatten, nicht verfügten. Sie aßen keine
derartigen Dinge. Sie gruben Knol en und kleine Yamswurzeln aus,
verdrückten Dinge mit mehr Augen, als die Wache nach der Sache mit
Michel dem medizinischen Kleptomanen gefunden hatte.
Es gab nur eine Erklärung: Etwas half ihm. Hier in dieser roten und heißen Wildnis gab es etwas, das ihn am Leben erhalten wol te. Rincewind fand diese Vorstel ung beunruhigend. Niemand hatte ihn jemals aus
einem angenehmen Grund am Leben erhalten wol en.
Nach einigen Monaten war Rincewinds Zaubermantel recht kurz
geworden. Immer wieder hatte er Streifen davon abgerissen, um Schnüre
daraus anzufertigen oder sie als Verbandsmaterial zu verwenden, nach
dem Angriff eines besonders widerstandsfähigen Hors d’œuvre.
Inzwischen waren Rincewinds Knie sichtbar, und die Knie von
Zauberern werden nicht einmal geringen ästhetischen Ansprüchen
gerecht – sie haben die Tendenz, knubbelig zu sein.
Nach wie vor steckte der Hut auf Rincewinds Kopf. Er hatte ihn mit
einer neuen Krempe ausgestattet, und gelegentlich mußte er bestimmte
Teile durch neue Stoffstreifen vom Mantel ersetzen. Mit Gras aufgenähte
Muscheln nahmen den Platz der längst abgefallenen Pailletten ein. Doch
im großen und ganzen war es noch immer der alte Hut, und er gehörte
ihm. Ein Zauberer ohne Hut war nichts weiter als ein trauriger Mann mit
einem verdächtigen Geschmack. Ein Zauberer ohne Hut kam einem
Niemand gleich.
Zwar hatte dieser speziel e Zauberer einen Hut, aber seine Augen
waren nicht scharf genug, um die Zeichnung zu erkennen, die auf einem
roten, halb im Gebüsch verborgenen Felsen erschien.
Zuerst sah das dargestellte Etwas nach einem Vogel aus, doch dann
veränderte es sich und blieb dabei, eine schon seit vielen Jahren
existierende Ansammlung aus ockerfarbenen Flecken und
Holzkohlestrichen…
Rincewind marschierte in Richtung der fernen Berge los. Er sah sie
schon seit einigen Tagen. Zwar wußte er nicht, ob sie ein vernünftiges
Ziel darstellten, aber wenigstens boten sie ihm die Möglichkeit, seine
Schritte ihn eine bestimmte Richtung zu lenken.
Der Boden unter ihm erzitterte. Seit einer ganzen Weile geschah das
ein- oder zweimal am Tag, was ihm seltsam erschien, denn dies sah nicht
nach einem Land mit vulkanischer Aktivität aus. Nein, in diesem Land
konnte man über Jahrhunderte hinweg eine Felswand anstarren, und
wenn sich irgendwann ein Stein aus ihr löste, hatte man für eine halbe
Ewigkeit Gesprächsstoff. Alles deutete darauf hin, daß dieses Land die
kraftvolleren geologischen Übungen schon vor einer ganzen Weile
absolviert hatte, um sich anschließend zur Ruhe zu setzen. Unter
anderen Umständen hätte man sich in einem solchen Land durchaus
heimisch fühlen können.
Nach einer Weile merkte Rincewind, daß ihn ein Känguruh von einem
kleinen Felsen aus beobachtete. Er hatte die Tiere schon des öfteren
durch den Busch hüpfen sehen, und daher wußte er: Normalerweise
hielten sie sich von Menschen fern.
Aber dieses Exemplar verfolgte ihn. Känguruhs waren doch
Pflanzenfresser, oder?
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