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Heiße Hüpfer

Heiße Hüpfer

Titel: Heiße Hüpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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starrte auf die Schere, die ihm der Chefscherer zeigte. Sie sah
    sehr scharf aus.
    »Weißt du, was wir hier mit Leuten machen, die sich vor einer Wette
    drücken?« fragte Daggy, Boß der Schererbande.
    »Äh… aber ich war betrunken.«
    »Wir auch. Was spielt das für eine Rolle?«

    Rincewind blickte zu den Schafgehegen. Er kannte Schafe natürlich
    und hatte häufige Kontakte mit ihnen hinter sich, meistens in Begleitung
    von Gemüse. Als Kind hatte er mit einem Plüschlamm gespielt. Aber
    Schafe zeichnen sich auch durch etwas sehr Unangenehmes aus, durch
    eine mit den Augen rollende Dummheit, die nach feuchter Wol e und
    Panik riecht. Viele Religionen priesen die Tugenden der Lammfrommen,
    aber Rincewind hatte ihnen nie getraut. Manchmal konnten die
    Lammfrommen ziemlich gemein werden.
    Andererseits… Sie waren in Wol e gehüllt, und mit der Schere schien
    alles in bester Ordnung zu sein. Wie schwierig konnte das werden? Ein
    spezielles Radar teilte Rincewind mit: Ein scheiternder Versuch war
    vermutlich ein geringeres Verbrechen als überhaupt kein Versuch.
    »Darf ich’s zunächst mal probieren?« fragte er.
    Ein Schaf wurde aus dem Pferch geholt und vor ihm auf den Boden
    geworfen.
    Rincewind bedachte Daggy mit einem Lächeln, von dem er hoffte, daß
    es professionel genug wirkte. Doch ein Lächeln pral te an Daggy ebenso
    wirkungslos ab wie Gebäck an einer Felswand.
    »Äh, kann ich einen Stuhl, ein Handtuch, zwei Spiegel und einen
    Kamm bekommen?« fragte er.
    Daggys Argwohn wuchs. »Was hast du vor? Wozu brauchst du das
    alles?«
    »Ich sol es doch richtig machen, oder?«

    Ganz hinten am Schurschuppen, auf in der Sonne gebleichten Brettern,
    formte sich der Umriß eines Känguruhs. Dann krochen die weißen
    Linien übers Holz, wie Wolkenfetzen über einen klaren Himmel, und sie
    veränderten ihre Form…

    Rincewind hatte schon seit einer ganzen Weile keinen ordentlichen
    Haarschnitt mehr bekommen, aber er wußte, worauf es dabei ankam.
    »Nun… bist du dieses Jahr schon in Urlaub gewesen?« fragte er und
    schnippelte.

    »Määäh!«
    »Wie war das Wetter, hm?« fragte Rincewind verzweifelt.
    »Määäh!«
    Das Schaf versuchte nicht einmal, sich zur Wehr zu setzen. Es war alt,
    hatte weniger Zähne als Beine, und selbst in den sehr begrenzten Tiefen
    seines sehr seichten Verstands wußte es, daß Scheren anders ablief.
    Normalerweise war es ein kurzer Kampf, dem herrlich kühle Freiheit im
    Gehege folgte. Normalerweise fragte der Scherer nicht, was das Schaf
    vom Wetter hielt, und er erkundigte sich auch nicht danach, was es fürs
    Wochenende plante – gemeinhin konnten Schafe mit dem Ausdruck
    »Wochenende« ebensowenig anfangen wie mit dem Wort »planen«.
    Außerdem erwartete niemand, daß man dem Schaf Duftwasser ins Ohr
    spritzte.
    Die Scherer beobachteten den Vorgang stumm. Inzwischen hatte sich
    eine große Menge eingefunden, denn einige von ihnen waren
    losgelaufen, um al e anderen zu holen. Tief in ihrem Inneren wußten sie:
    Hier geschah etwas, von dem man den Enkelkindern erzählen konnte.
    Rincewind trat zurück, betrachtete sein Werk kritisch und hob den
    Spiegel, damit das Schaf den eigenen Hinterkopf sehen konnte. An
    dieser Stelle geriet es in Panik, sprang auf und lief zum Pferch zurück.
    »He, warte, ich muß erst die Lockenwickler lösen!« rief Rincewind.
    Er spürte die Blicke der Scherer auf sich ruhen. Schließlich brachte
    einer von ihnen verblüfft hervor: »Auf diese Weise schert man Schafe in
    deiner Heimat?«
    »Äh… was haltet ihr davon?« erwiderte Rincewind.
    »Ein bißchen langsam, oder?«
    »Wie schnell sollte es gehen?«
    »Nun, Daggy hat mal fünfzig in einer Stunde geschafft. Dir müssen
    mehr gelingen, um ihn zu schlagen. Nichts von diesem komischen Kram.
    Einfach nur vorn, hinten, oben und die Seiten.«
    »Mann, das Schaf hat wirklich hübsch ausgesehen«, meinte ein anderer
    Scherer.
    Bei den Pferchen begann ein lautes Blökkonzert.

    »Bist du bereit, richtig zu scheren?« fragte Daggy.
    »Lieber Himmel, was ist das denn?« fragte einer seiner Kumpel.
    Der Zaun zerbrach. Ein Widder stand in der Öffnung und schüttelte
    den Kopf, um seine Hörner von Holzsplittern zu befreien. Dampf
    zischte aus seinen Nüstern.
    Die meisten Dinge, die Rincewind mit Schafen assozi erte – abgesehen
    von Bratensaft und Minzsoße –, hatten mit Sanftmut zu tun. Doch dies
    war ein Widder, und mit einem solchen Geschöpf verband er
    Vorstel ungen von… Aggressivität. Hufe

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