Heiße Hüpfer
starrte auf die Schere, die ihm der Chefscherer zeigte. Sie sah
sehr scharf aus.
»Weißt du, was wir hier mit Leuten machen, die sich vor einer Wette
drücken?« fragte Daggy, Boß der Schererbande.
»Äh… aber ich war betrunken.«
»Wir auch. Was spielt das für eine Rolle?«
Rincewind blickte zu den Schafgehegen. Er kannte Schafe natürlich
und hatte häufige Kontakte mit ihnen hinter sich, meistens in Begleitung
von Gemüse. Als Kind hatte er mit einem Plüschlamm gespielt. Aber
Schafe zeichnen sich auch durch etwas sehr Unangenehmes aus, durch
eine mit den Augen rollende Dummheit, die nach feuchter Wol e und
Panik riecht. Viele Religionen priesen die Tugenden der Lammfrommen,
aber Rincewind hatte ihnen nie getraut. Manchmal konnten die
Lammfrommen ziemlich gemein werden.
Andererseits… Sie waren in Wol e gehüllt, und mit der Schere schien
alles in bester Ordnung zu sein. Wie schwierig konnte das werden? Ein
spezielles Radar teilte Rincewind mit: Ein scheiternder Versuch war
vermutlich ein geringeres Verbrechen als überhaupt kein Versuch.
»Darf ich’s zunächst mal probieren?« fragte er.
Ein Schaf wurde aus dem Pferch geholt und vor ihm auf den Boden
geworfen.
Rincewind bedachte Daggy mit einem Lächeln, von dem er hoffte, daß
es professionel genug wirkte. Doch ein Lächeln pral te an Daggy ebenso
wirkungslos ab wie Gebäck an einer Felswand.
Ȁh, kann ich einen Stuhl, ein Handtuch, zwei Spiegel und einen
Kamm bekommen?« fragte er.
Daggys Argwohn wuchs. »Was hast du vor? Wozu brauchst du das
alles?«
»Ich sol es doch richtig machen, oder?«
Ganz hinten am Schurschuppen, auf in der Sonne gebleichten Brettern,
formte sich der Umriß eines Känguruhs. Dann krochen die weißen
Linien übers Holz, wie Wolkenfetzen über einen klaren Himmel, und sie
veränderten ihre Form…
Rincewind hatte schon seit einer ganzen Weile keinen ordentlichen
Haarschnitt mehr bekommen, aber er wußte, worauf es dabei ankam.
»Nun… bist du dieses Jahr schon in Urlaub gewesen?« fragte er und
schnippelte.
»Määäh!«
»Wie war das Wetter, hm?« fragte Rincewind verzweifelt.
»Määäh!«
Das Schaf versuchte nicht einmal, sich zur Wehr zu setzen. Es war alt,
hatte weniger Zähne als Beine, und selbst in den sehr begrenzten Tiefen
seines sehr seichten Verstands wußte es, daß Scheren anders ablief.
Normalerweise war es ein kurzer Kampf, dem herrlich kühle Freiheit im
Gehege folgte. Normalerweise fragte der Scherer nicht, was das Schaf
vom Wetter hielt, und er erkundigte sich auch nicht danach, was es fürs
Wochenende plante – gemeinhin konnten Schafe mit dem Ausdruck
»Wochenende« ebensowenig anfangen wie mit dem Wort »planen«.
Außerdem erwartete niemand, daß man dem Schaf Duftwasser ins Ohr
spritzte.
Die Scherer beobachteten den Vorgang stumm. Inzwischen hatte sich
eine große Menge eingefunden, denn einige von ihnen waren
losgelaufen, um al e anderen zu holen. Tief in ihrem Inneren wußten sie:
Hier geschah etwas, von dem man den Enkelkindern erzählen konnte.
Rincewind trat zurück, betrachtete sein Werk kritisch und hob den
Spiegel, damit das Schaf den eigenen Hinterkopf sehen konnte. An
dieser Stelle geriet es in Panik, sprang auf und lief zum Pferch zurück.
»He, warte, ich muß erst die Lockenwickler lösen!« rief Rincewind.
Er spürte die Blicke der Scherer auf sich ruhen. Schließlich brachte
einer von ihnen verblüfft hervor: »Auf diese Weise schert man Schafe in
deiner Heimat?«
»Äh… was haltet ihr davon?« erwiderte Rincewind.
»Ein bißchen langsam, oder?«
»Wie schnell sollte es gehen?«
»Nun, Daggy hat mal fünfzig in einer Stunde geschafft. Dir müssen
mehr gelingen, um ihn zu schlagen. Nichts von diesem komischen Kram.
Einfach nur vorn, hinten, oben und die Seiten.«
»Mann, das Schaf hat wirklich hübsch ausgesehen«, meinte ein anderer
Scherer.
Bei den Pferchen begann ein lautes Blökkonzert.
»Bist du bereit, richtig zu scheren?« fragte Daggy.
»Lieber Himmel, was ist das denn?« fragte einer seiner Kumpel.
Der Zaun zerbrach. Ein Widder stand in der Öffnung und schüttelte
den Kopf, um seine Hörner von Holzsplittern zu befreien. Dampf
zischte aus seinen Nüstern.
Die meisten Dinge, die Rincewind mit Schafen assozi erte – abgesehen
von Bratensaft und Minzsoße –, hatten mit Sanftmut zu tun. Doch dies
war ein Widder, und mit einem solchen Geschöpf verband er
Vorstel ungen von… Aggressivität. Hufe
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