Heisse Liebe in eisiger Nacht
genau? Du setzt dich mit Privatdetektiven in Verbindung und bittest sie, den Fall zu übernehmen?“ Taggart versuchte nicht, sein Erstaunen zu verbergen.
Es klang, als hielte er das für völlig absurd. Für sie war das wie ein Schlag ins Gesicht. „Ich schreibe jedem, und das seit Monaten. Der Polizei, Politikern, Anwälten. Ich würde sogar an Oprah Winfrey schreiben, wenn ich glaubte, sie könnte mir helfen.“
„Meintest du das, als du heute Morgen gesagt hast, du wartest darauf, dass sich etwas ändert, bevor du dich stellst?“
Sie nickte. „Ja.“
„Und wenn jemand nun Seths Fall tatsächlich so genauunter die Lupe nimmt?“
„Dann wird er wenigstens in Betracht ziehen müssen, was ich schon weiß. Dass Seth die Wahrheit sagt. Er hat Jimmy nicht getötet.“
Taggart schüttelte den Kopf. „Verdammt, Genevieve …“
„Hör auf!“, fuhr sie ihn scharf an und sprang abrupt auf. Sie war müde, ihr war kalt, und sie war durcheinander von allem, was sie in den letzten zwei Tagen mit Taggart erlebt hatte. Sie kam mit ihren widerstreitenden Gefühlen nicht zurecht und war absolut nicht in der Stimmung, sich von irgendjemandem etwas sagen zu lassen, ganz besonders nicht von ihm. „Du weißt doch gar nichts darüber.“
Auch er sprang auf. „Ich weiß genug, um verdammt skeptisch zu sein, was die Version deines Bruders angeht. Er hatte die Mittel, das Motiv und die Gelegenheit, und nichts im Polizeibericht lässt darauf schließen, dass es diesen ominösen Fremden gegeben hat, der vom Tatort geflohen sein soll, wie dein Bruder es behauptet. Das war eine äußerst lahme Ausrede, wenn du mich fragst.“
Sie sah ihn erstaunt an. „Du hast den Polizeibericht gelesen?“
„Natürlich. Was denkst du denn? Ich mache immer meine Hausaufgaben. Wenn es darum geht, einen Flüchtling zu finden, haben wir bei Steele Security die Regel, nie einen Fall anzunehmen, über den wir uns nicht ausreichend informiert haben. Wir tun, was wir können, damit wir keinen Unschuldigen aufspüren und ihn an jemanden ausliefern, der ihm schaden könnte.“
„Wenn du den Polizeibericht gelesen hast“, gab sie zurück, zog das Laken von ihren Beinen und ging um den Tisch herum auf Taggart zu, „dann weißt du, dass die Pistole Jimmy gehörte, nicht Seth.“
„Na und? Dein Bruder wusste, wo sein Freund sie aufbewahrte, und von den drei Leuten am Tatort – dir, ihm und natürlich dem Opfer – hatte schließlich nur er Schmauchspuren an den Händen.“
„Weil er auf den Mörder geschossen hat.“
„Ja, klar doch. Komm schon, Genevieve, du bist doch nicht blöd. Vergiss den geheimnisvollen dritten Mann, und konzentriere dich auf die Pistole. Damit die Version deines Bruders überhaupt Sinn ergibt, hätte James Dunn die Pistole zu euch mitbringen und bei euch einen Eindringling damit überraschen müssen. Der wiederum müsste ihm dann die Pistole entwendet und ihn damit getötet haben. Das ergibt keinen Sinn. Es hätte ihm nichts eingebracht, also gab es kein Motiv und auch keine Indizien – weder ein Haar noch einen Fingerabdruck –, die diese Version unterstützen.“ Es fiel ihm nicht leicht, aber er zwang sich weiterzureden. „Seth andererseits hatte ein verdammt gutes Motiv. Das Geld aus Dunns Lebensversicherung kam ihm gerade recht, um seinen geliebten Skiladen zu retten. Aber er musste sich beeilen, denn Dunn kehrte mit der Neuigkeit aus den Ferien zurück, dass er eine Frau kennengelernt hatte und sie bald heiraten wollte. Also würde er sein Testament ändern, um seine Frau als alleinige Erbin einzusetzen.“
„Bist du fertig?“
„Ja, so ziemlich.“
Genevieve wollte mindestens ein Dutzend Dinge auf einmal sagen. Es gab ein Dutzend Fakten, die sie mit Taggart teilen wollte, und ein Dutzend Argumente, um ihm zu beweisen, dass er sich irrte. Aber während sie ihn anstarrte und die störrisch zusammengepressten Lippen sah, glaubte sie nicht, dass sie es ertragen würde, wenn er sich weigerte, ihr zuzuhören. Das Einzige, was noch schlimmer wäre, war, wenn er sich bereit erklärte, ihr bis zum Ende zuzuhören, und dann, genau wie alle anderen, kategorisch jede Möglichkeit zurückwies, dass Seth unschuldig sein könnte.
Und das wäre mehr, als sie würde ertragen können.
Sie sagte sich zwar, dass sie die Dinge dramatisierte und dass ihre Erschöpfung daran schuld war, dass ihr die letzten achtundvierzig Stunden so an die Nieren gingen. Aber sie konnte es trotzdem nicht riskieren. In diesem Moment, so
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