Heiße Nächte in Mexiko - Roberts, N: Heiße Nächte in Mexiko
keine Bootstouren zu übernehmen, sondern sich ausschließlich um den Laden zu kümmern. Das hieß, dass sie allein sein konnte. Bis Mittag würden die Taucher ihre Ausrüstung gemietet haben, ab dann gab es nur noch sporadisch Kunden zu betreuen. Was Liz die Möglichkeit geben würde, die Ausrüstung in Ruhe zu überprüfen und eine aktuelle Inventarliste aufzustellen.
Das Gebäude, in dem sich ihr Laden befand, war aus einfachen grauen Ziegeln gebaut. Sie hatte schon öfter mit dem Gedanken gespielt, die Fassade verputzen und streichen zu lassen, aber irgendwie schienen ihr die Kosten für so einen „Luxus“ zu hoch. Es gab ein winziges Nebenzimmer, das sie hochtrabend „Büro“ nannte, auch wenn es diese Bezeichnung kaum verdiente. Aber sie hatte einen alten grauen Metallschreibtisch hineingezwängt und einen Drehstuhl, der restliche Platz wurde von noch mehr Taucherausrüstungen in Beschlag genommen – auf dem Boden gestapelt, in Regalen gelagert oder von der Decke an Haken herunterhängend. Ihr Schreibtisch mochte zwar eine riesige Beule haben, aber die Ausrüstung, die sie vermietete, war bestens gepflegt und hundertprozentig gewartet.
Masken, Schwimmflossen, Sauerstoffflaschen und Schnorchel konnten einzeln oder in jeder beliebigen Kombination gemietet werden. Liz hatte schnell gelernt, dass ein großes Angebot es nicht nur vereinfachte, kaputte Geräte auszusortieren und zu ersetzen, sondern auch für Stammkunden sorgte. Das Vermieten der Ausrüstung war praktisch das Fundament, auf dem ihr Geschäft aufgebaut war. Neben dem Ladeneingang, der nur nachts mit einem schweren, soliden Stück Holz versperrt wurde, stand ein Schild in englischer und spanischer Sprache, das über Preise und angebotene Leistungen informierte.
Als Liz vor acht Jahren anfing, hatte sie zwölf Taucherausrüstungen angeschafft. Jeden gesparten Penny hatte sie investiert. Jeden Penny, den Marcus dem jungen, blauäugigen Mädchen, das schwanger mit seinem Kind war, gegeben hatte. Das Mädchen hatte schnell zur erwachsenen Frau heranwachsen müssen, und diese Frau führte nun ein Geschäft, mit dessen Ausstattung sie fünfzig Taucher und Dutzende von Schnorchlern komplett ausrüsten konnte, einschließlich Unterwasserkameras. Sie konnte Touristen einen entspannenden Ausflug auf dem Meer bieten oder auch die Bedürfnisse derer erfüllen, die mit ungezügeltem Tatendrang zum Hochseefischen aufbrechen wollten.
Das erste Boot, das sie kaufte, taufte sie auf den Namen Faith , nach ihrer Tochter. Mit achtzehn, auf sich selbst gestellt und völlig verängstigt, hatte sie sich geschworen, dass es dem Kind, das sie unter dem Herzen trug, nie an etwas mangeln sollte, dass es immer nur das Beste von ihr bekommen würde. Jetzt, zehn Jahre später, schaute Liz sich in ihrem Geschäft um und konnte mit Gewissheit behaupten, dass sie ihr Versprechen gehalten hatte.
Mehr noch. Die Insel, auf die sie damals geflohen war, war zu ihrem Zuhause geworden. Hier hatte sie neue Wurzeln geschlagen, hier galt sie etwas, hier brauchte man sie. Sie starrte nicht länger auf das Meer hinaus und sehnte sich nach Houston oder einem hübschen Häuschen mit grünem Rasen. Sie dachte nicht mehr an die Ausbildung, die sie kaum begonnen, schon abgebrochen hatte, sie fragte sich nicht länger, was sie mit dieser Ausbildung hätte werden können. Und sie hatte längst aufgehört, dem Mann nachzuweinen, der weder sie noch das Kind, das sie zusammen geschaffen hatten, wollte. Sie würde nie wieder dorthin zurückkehren. Aber Faith konnte das. Faith konnte Französisch lernen, spitzenbesetzte Seidenkleider tragen und gepflegte Konversation über guten Wein und klassische Musik betreiben. Eines Tages würde Faith heimkehren und sich sicher in den Kreisen ihrer unbekannten Verwandten bewegen.
Das ist mein Traum, dachte Liz und füllte sorgfältig die Sauerstoffflaschen nach. Sie wollte ihre Tochter in den Kreisen akzeptiert sehen, aus denen sie ausgestoßen worden war. Nicht aus Rache, sondern um der Gerechtigkeit willen.
„Hallo, Missy.“
Liz hockte auf dem Boden am hinteren Ende des Raumes und drehte sich um. Sie musste die Augen gegen die hereinscheinende Sonne zusammenkneifen. Im Eingang stand ein korpulenter Mann in einem schwarz-roten Taucheranzug, einen fetten Zigarrenstummel im Mundwinkel.
„Mr Ambuckle. Ich wusste gar nicht, dass Sie wieder auf der Insel sind.“
„Bin von Cancún für ein paar Tage rübergekommen. Hier kann man besser
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