Heiße Nächte in Mexiko - Roberts, N: Heiße Nächte in Mexiko
einer halben Stunde ab.“
Doch er hörte ihr gar nicht zu. Stocksteif stand er an Deck und starrte zum Dock. Sie sah, wie er sich mit einer zitternden Hand bekreuzigte. „ Madre de Dios .“
„Luis?“ Liz stieg die wenigen Stufen zum Deck hinunter und steuerte auf ihn zu. „Was …?“
Dann sah sie Jonas. Er trug einen Strohhut, den er tief in die Stirn gezogen hatte, eine Sonnenbrille bedeckte seine Augen. Offensichtlich hatte er sich heute Morgen nicht die Mühe gemacht, sich zu rasieren. In schwarzen Shorts sah er eher aus wie ein Landstreicher, nicht wie ein Mann, der Bridge spielte. Da sie genau wusste, was in Luis jetzt vorging, legte sie vorsichtig ihre Hand auf seinen Arm und schüttelte Luis leicht.
„Das ist sein Bruder“, raunte sie ihm zu. „Ich hatte dir doch erzählt, dass es Zwillinge sind.“
„Von den Toten auferstanden“, wisperte er.
„So ein Unsinn.“ Entschieden schüttelte sie den Schauder ab, den Luis’ Worte ihr über den Rücken jagten. „Er heißt Jonas und ist überhaupt nicht wie Jerry. Ehrlich. Das wirst du sofort merken, sobald du mit ihm redest. Sie sind pünktlich, Mr Sharpe“, rief sie Jonas entgegen, weil sie hoffte, so den Schock bei Luis vertreiben zu können. „Brauchen Sie Hilfe, um an Bord zu kommen?“
„Ich denke, das schaffe ich schon.“ Mit einer Kühlbox in der Hand sprang Jonas leichtfüßig an Bord. „Die Expatriate .“ Er bezog sich auf den sorgfältig aufgemalten Namen des Bootes. „Sind Sie das? Ein Auswanderer?“
„Offensichtlich.“ Sie war weder stolz darauf, noch schämte sie sich dafür. „Das hier ist Luis. Er arbeitet für mich. Sie haben ihm einen Schreck eingejagt.“
„Tut mir leid.“ Jonas sah zu dem schlanken Mann, der neben Liz stand. Auf Luis’ Oberlippe glitzerten Schweißperlen. „Sie kannten meinen Bruder?“
„Wir haben zusammengearbeitet“, antwortete Luis langsam in seinem übergenauen Englisch. „Mit den Tauchern. Jerry ist immer am liebsten mit dem Taucherboot auf Tour gegangen. Also gut, ich kümmere mich dann jetzt um den Laden.“ Luis machte einen großen Bogen um Jonas und sprang auf das Dock zurück.
„Ich scheine hier auf jeden die gleiche Wirkung zu haben“, murmelte Jonas. Er richtete seine dunklen Augen auf Liz. Obwohl sie nicht mehr sofort an Jerry denken musste, wenn sie ihn ansah, machte er sie doch nervös. „Und was ist mit Ihnen? Würden Sie mich auch noch immer lieber auf Abstand halten?“
„Wir stehen in dem allgemeinen Ruf, zu allen unseren Kunden freundlich zu sein. Sie haben die Expatriate für einen Tag gemietet, Mr Sharpe. Machen Sie es sich also bequem.“ Sie zeigte auf einen Stuhl, bevor sie die Treppe zur Brücke hinaufstieg. „Richte Miguel aus, dass er nur bezahlt wird, wenn er nicht wieder früher geht“, rief sie Luis zu und winkte. Dann startete sie den Motor und lenkte das Boot ruhig auf die offene See hinaus.
Es herrschte kaum Wind, auch das Meer hatte kaum Seegang. Solange die dunklen Flecken durch das klare Wasser schimmerten, waren sie noch im Riff, und Liz hielt die Geschwindigkeit niedrig. Erst wenn sie die Untiefen hinter sich gelassen hatten, würde sie Tempo aufnehmen. Bis zum Mittag würde die Sonne brennend heiß vom Himmel stechen. Und bis dahin wollte sie Jonas im Angelsitz angegurtet und im Kampf mit einem Hundertkilofisch wissen.
„Sie gehen mit dem Ruder ebenso routiniert um wie mit Ihren Kunden.“
Ein verärgerter Ausdruck trat in ihre Augen, die sie allerdings weiter geradeaus gerichtet hielt. „Es ist schließlich mein Geschäft. Sie fühlen sich sicher wohler an Deck, wenn Sie sich setzen, Mr Sharpe.“
„Jonas“, korrigierte er. „Und ich fühle mich hier durchaus wohl.“ Er unterzog sie einer lässigen Musterung, während er neben ihr stand. Sie trug ein Baseballkäppi mit dem Namenszug ihres Ladens; auf ihrem T-Shirt, ausgebleicht von der Sonne und den vielen Waschgängen, war der gleiche Schriftzug zu lesen. Was sie wohl unter dem T-Shirt trug? schoss ihm durch den Kopf. „Wie lange besitzen Sie dieses Boot jetzt schon?“
„Fast acht Jahre. Es ist tipptopp in Ordnung und absolut sicher.“ Liz beschleunigte. „Die Strömung hier ist warm. Sie werden auf Thunfische, Schwertfische und Marline stoßen. Sobald wir auf offener See sind, können Sie mit dem Anfüttern beginnen.“
„Anfüttern?“
Sie warf ihm einen Seitenblick zu. Da hatte sie also richtig vermutet. Er konnte eine Rute nicht vom Haken unterscheiden. „Futter
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