Heiße Nächte in Mexiko - Roberts, N: Heiße Nächte in Mexiko
Umstände sich komplett ändern konnten und dass man trotzdem noch immer die Altlasten mit sich herumtrug, in jeder einzelnen Phase? Falls überhaupt, sammelten sich mit jeder Phase nicht mehr Lasten an, die man dann mit sich herumschleppte?
Darüber zu philosophieren nützt jetzt nichts mehr, dachte Liz, als sie aus dem Bett kletterte. Es war keine andere Wahl mehr geblieben, als zu handeln.
Jonas hörte sie in dem Moment, als sie aufstand. Seit fünf Uhr war er wach und tigerte rastlos durch die Suite. Seit über einer Stunde zermarterte er sich das Hirn und suchte nach einer Lösung, um Liz sicher aus einer Situation herauszuschaffen, in die sein Bruder und er sie hineingezogen hatten. Er hatte bereits mehrere Szenarien ausgearbeitet, wie er die Aufmerksamkeit der Killer auf seine Person ziehen konnte, aber das war noch immer keine Garantie für Liz’ Sicherheit. Dass sie nicht nach Houston gehen würde, verstand er völlig. Er konnte nachvollziehen, dass sie ihre Tochter unter keinen Umständen welchem Risiko auch immer aussetzen wollte.
Überhaupt hatte er das Gefühl, sie in letzter Zeit besser und besser zu verstehen. Sie war eine Einzelgängerin, aber nur, weil sie es als den sichersten Weg für sich ansah. Sie war eine Geschäftsfrau, aber nur, weil für sie das Wohlergehen ihrer Tochter an erster Stelle stand. Vom eigentlichen Wesen her, so dachte er jetzt, ist sie eine Frau mit Träumen und dem Traum von der einen, der bedingungslosen Liebe. Beides hatte sie auf ihre Tochter übertragen und sich selbst versagt. Und, so fügte Jonas noch still an, sie hatte sich davon überzeugt, dass sie zufrieden mit ihrem Leben war.
Das war noch etwas, das er verstehen konnte. Denn bis vor ein paar Wochen hatte auch er sich davon überzeugt gehabt, er sei angeblich zufrieden. Erst jetzt, nachdem er die Gelegenheit gehabt hatte, sein bisheriges Leben aus der Distanz zu betrachten, war ihm aufgefallen, dass er sich eigentlich nur hatte treiben lassen. Vielleicht, wenn man die Emaille ein wenig ankratzte, war er unter der Oberfläche gar nicht so verschieden von seinem Bruder. Für sie beide war Erfolg immer das vorrangige Ziel gewesen, sie hatten nur unterschiedliche Wege gewählt. Zwar hatte Jonas einen soliden Job und ein festes Zuhause, aber es hatte nie eine besondere Frau gegeben. Für ihn hatte immer die Karriere an erster Stelle gestanden. Jetzt war er sich nicht mehr so sicher, ob er es heute noch immer so halten wollte. Er hatte erst seinen Bruder verlieren müssen, damit ihm klar wurde, dass er mehr brauchte. Etwas Beständigeres. Mit Gesetzen zu arbeiten und sie auf bestimmte Situationen anzuwenden war nur ein Job. Einen Fall zu gewinnen brachte nur ein flüchtiges Triumphgefühl. Vielleicht ahnte er es schon seit Längerem. Schließlich hatte er das alte Haus in Chadd’s Ford gekauft, weil er etwas Dauerhaftes für sich haben wollte. Und wann war eigentlich der Gedanke aufgetaucht, es mit einem anderen Menschen zu teilen?
Wie auch immer – mit sich selbst ins Gericht zu gehen und sich selbst zu analysieren half nicht dabei, eine Lösung für Liz Palmer zu finden. Nach Houston konnte sie also nicht gehen, das war ihm auch klar, aber es gab ja noch andere Orte, wo sie für eine Weile Unterschlupf finden konnte. Bis er in der Lage war, ihr zu garantieren, dass ihr Leben wieder in genau den Bahnen verlaufen würde, die sie sich wünschte. Seine Eltern und das abgelegene ruhige Haus auf dem Land in Lancaster, in dem sie sich zur Ruhe gesetzt hatten, waren ihm als Erstes in den Kopf gekommen. Wenn er irgendwie einen Weg fand, Liz unbemerkt aus Mexiko herauszuschleusen, würde sie dort sicher sein. Sie könnte sogar ihre Tochter dorthin kommen lassen. Und damit hätte sein Gewissen dann auch Ruhe. Jonas zweifelte keine Sekunde daran, dass seine Eltern Liz und ihre Tochter nicht nur herzlich aufnehmen, sondern auch über die Maßen verwöhnen und es den beiden so komfortabel wie nur möglich machen würden.
Wenn er dann erledigt hatte, weshalb er in Mexiko war, würde er nach Lancaster nachkommen. Er konnte sich Liz gut dort vorstellen, er würde sie sogar gern in einer Umgebung sehen, die ihm so vertraut war. Er hätte Zeit, um sich mit ihr über Gott und die Welt zu unterhalten, einfach über alle möglichen Nichtigkeiten zu plaudern. Er wollte sie wieder lachen hören. In all der Zeit, die er sie jetzt kannte, hatte er sie nur ein einziges Mal unbeschwert gesehen. Wenn sie erst dort wären, weit weg von der
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