Heiße Rache, süße Küsse (Julia) (German Edition)
Doch dann dachte sie an das Gefühl, das dieses Kleid in ihr geweckt hatte, als sie es in einer der Londoner Edelboutiquen gesehen hatte. Bevor sie noch wusste, was sie tat, hatte sie schon im Laden gestanden und es anprobiert. Und dann der begeisterte Kommentar der Verkäuferin: „Als hätte man es für Sie gemacht! Sie haben die perfekte Figur dafür!“
Natürlich hatte die Frau das sagen müssen, schließlich wollte sie etwas verkaufen. Doch für einen flüchtigen Moment hatte Jesse sich gefühlt wie damals, als Luc ihren nackten Körper betrachtet hatte: schön und sinnlich.
Luc. Energisch verdrängte Jesse die Erinnerungen und suchte die Schuhe hervor, die sie sich zu dem Kleid gekauft hatte. An diesem Abend besuchte sie eine Wohltätigkeitsveranstaltung. Und zum ersten Mal würde sie aussehen wie die Frauen, die sie immer beneidet hatte.
Gegen ihren Willen wanderten ihre Gedanken zu Luc zurück.
Seit jenem Freitag, den sie für sich den „Schwarzen Freitag“ getauft hatte, erwartete sie, dass Luc jeden Moment vor ihrer Wohnungstür oder in ihrem Büro auftauchen und Wiedergutmachung verlangen würde. Doch nichts geschah. Tage und Wochen waren vergangen, ohne ein einziges Zeichen von ihm. Was nur ihre Vermutung bestätigte: Sie bedeutete ihm so wenig, dass er sich nicht einmal für seine Entführung an ihr rächen wollte.
Zudem hatte sie inzwischen herausgefunden, dass alles, was er ihr erzählt hatte, wahr war. Sein Vater war Vorarbeiter in einem kleinen O’Brian-Betrieb in Spanien gewesen, die Mutter eine sanftmütige Französin, und seine Schwester brauchte tatsächlich spezielle Betreuung. Bei ihrer Recherche war Jesse auf Fotos gestoßen, die Luc auf einer Spendengala zeigten, deren Erlös der medizinischen Forschung auf dem Gebiet des Autismus’ zugutekam.
Was ihren Vater anbelangte … der Mann war ein für alle Mal ruiniert. Immer mehr seiner betrügerischen Machenschaften waren ans Tageslicht gekommen, ihm stand ein Gerichtsprozess wegen Steuerhinterziehung und Betrug bevor. Zudem meldeten sich jetzt Arbeitnehmer, die von ihm eingeschüchtert worden waren, und berichteten von ungerechtfertigten Kündigungen, Mobbing, Belästigung und Schlimmerem. Sein gesamtes Vermögen war konfisziert worden. Sogar seine Frau war mit ihrer persönlichen Geschichte an die Öffentlichkeit gegangen – endlose Fälle ehelicher Gewalt.
Jesse hatte erwartet, Triumph zu empfinden, stattdessen fühlte sie nur eine seltsame Leere in sich.
Denn schon einen Tag, nachdem Luc von der Insel zurückkehrte, waren die Zeitungen voll mit Schlagzeilen und Fotos von ihm und einer für den Oscar nominierten Schauspielerin beim Besuch einer großen Gala. Und seither war er mit ständig wechselnden Frauen an seiner Seite zu sehen, eine schöner als die andere. Die Presse überschlug sich schier. Noch nie hatte Luc Sanchis so offene Einblicke in sein Privatleben gewährt.
Jesse schloss die Augen und legte sich eine Hand auf die Brust, als könnte sie dadurch den Schmerz besser ertragen. Sie musste endlich aufhören, ständig an Luc zu denken. Nur war ihr das völlig unmöglich. Tagsüber begann ihr Puls jedes Mal zu rasen, wenn sie einen großen dunkelhaarigen Mann erblickte, und nachts wurde es noch schlimmer. Dann träumte sie von der gemeinsamen Zeit auf der Insel und durchlebte jeden einzelnen Moment noch einmal. Sie hatte ihm alles gestanden, hatte nichts verheimlicht. Sie hatte sich in einer Märchenwelt verloren und völlig vergessen, aus welchem Grund sie beide überhaupt auf der Insel waren.
In diesem Moment zupfte etwas an ihrem Kleid. Sie schaute zu Boden und sah Tiger, der sich bereitmachte, den Kampf mit der Seidenrobe aufzunehmen. Jesse beugte sich vor und hob ihn hastig hoch.
„Oh nein, das lässt du schön bleiben.“ Sie schmiegte die Wange an sein weiches Fell.
Das Kätzchen war inzwischen gewachsen und hatte einiges an Gewicht zugelegt. Jesse war mit ihm beim Tierarzt gewesen. Tiger hatte sämtliche Impfungen erhalten und auch einen Mikrochip eingesetzt bekommen. Er war also jetzt ein offiziell registriertes Haustier und besaß sogar seinen eigenen Tierpass.
Sie hatte ein schlechtes Gewissen, dass sie Tiger mitgenommen hatte, aber in der Nacht, in der sie abgeflogen war, hatte ein solcher Tumult in ihr geherrscht, dass sie ohne das kleine Tierchen nicht ausgekommen wäre. Sie hatte die Wärme eines Lebewesens gebraucht.
Tiger wand sich, sodass Jesse ihn absetzte und ihm ins Wohnzimmer folgte. Sie sah
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