Heiße Schatten
setzt er mit einem beruhigenden Klopfer auf dessen Arm, aber mit warnendem Ton nach: »Mein Freund!« An mich gewandt erklärte er: »Khalil al Hamid, Export und Import, Spanien, Tunesien und Algerien. Ohne ihn wäre unser Leben ärmer.« Ein Scherz, aber ich sehe ihm an, dass trotz des Humors nichts von seiner Spannung nachlässt und er sich einen stabilen Stand verschafft.
»Was kocht die Kleine denn? Chemische Küche?«, fragt der angetrunkene Importeur provozierend. Er scheint auf Streit aus zu sein. Konstantin schiebt mich hinter sich. Ich erkenne das Zeichen und ziehe mich ein paar Schritte aus der Runde zurück. Um nicht weiterhin Thema zu sein, blicke ich in eine andere Richtung. Sollte die Situation sich etwa wieder so entwickeln wie in der dunklen Unterführung in Hamburg? Ich will nicht glauben, dass in diesen wunderschönen Räumen und mit diesen Menschen, die gerade noch so angenehme Gespräche führen und miteinander lachen konnten, Gefahr bestehen könnte.
Trotzdem sehe ich, dass Konstantin Khalil beim Arm nimmt und beiseitezieht. Er tauscht einen kurzen Blick mit dem General aus. Dann zischt er Khalil etwas zu, hält ihn dabei mit Bestimmtheit und nicht gerade sanft an der Schulter fest. Die Strenge in seinem Auftreten wird auch ohne hörbare Worte deutlich. Khalil macht einen kleinen Versuch, sich loszureißen, ist aber nicht stabil genug auf den Beinen, um dabei erfolgreich zu sein. Alles, was er damit erreicht, ist, dass Konstantin ihn noch weiter von der Gruppe Männer mit militärischer Haltung wegzieht, die sich mittlerweile um den General versammelt haben und fast unbemerkt eine Art Verteidigungsring von Kameraden gebildet haben. Auch hinter Konstantin sind weitere Männer aufgetaucht, die diskret die Situation im Blick behalten. Jetzt sehe ich auch Giulio unter den Gästen, der unauffällig näher gekommen ist. Sein Weinglas wirkt wie eine Waffe in seiner Hand, und vermutlich kann er es sogar so benutzen. Wo bin ich hier nur hineingeraten, schießt es mir durch den Kopf. Ist denn hier alles voller Militär?
Jetzt formieren sich auf der anderen Seite südländisch aussehende Männer, aber sie sind in der Minderheit und halten sich im Hintergrund. Aus ihrer Gruppe löst sich eine schöne, dunkelhaarige Frau in einem langen, dunkelroten Kleid mit freiem Rücken. Sie geht auf Khalil zu.
Ruhig und würdevoll stellt sie sich neben ihn und spricht Konstantin an. Kann ihre ruhige Art, ihre gerade Haltung und das kleine Lächeln, das sie Khalil schenkt, einen Rückweg aus der Situation ermöglichen? Ich schätze, wenn man den Raum von oben betrachten würde, könnte man auf einen Blick erkennen, wie geladen die Situation ist. Klar abgegrenzte Gruppen von Männern haben unauffällig Formationen von lockeren Halbkreisen mit erster und zweiter Reihe gebildet. Ich entschließe mich, die wunderschöne Frau zu unterstützen und stelle mich mit einem freundlichen Willkommen-Lächeln zu den dreien. Ich reiche der Frau die Hand. Sie ergreift sie und gibt ein anmutiges Lächeln zurück. Wir tauschen leise Höflichkeiten aus. Khalil lässt seine Hände, die sich zu Fäusten geballt hatten, wieder locker. Er sieht sich um, wird sich des formalen Anlasses der Benefizveranstaltung anscheinend wieder bewusst. Konstantin lässt seinen Arm erst lockerer, dann ganz los. Die beiden blicken sich an wie alte Bekannte, als hätten sie so eine Situation schon öfter erlebt. Anscheinend ist wieder eine Art von Waffenstillstand entstanden. Konstantin hakt den angetrunkenen Mann unter dem Arm ein, für alle erkennbar lachend, als würden zwei alte Freunde gemeinsam an die Bar gehen.
»Zwei schwarze Kaffee«, ordere ich beim Barkeeper mit einem Handzeichen und deute auf die beiden Männer. Konstantin fügt hinzu: »Für meinen Freund und mich!«
Als die Umstehenden bemerken, dass die Situation entschärft ist, verändert sich die Stimmung im ganzen Raum. Die Gruppen mischen sich neu, die bunt gekleideten Frauen rücken wieder nach vorne, Gemeinschaft entsteht neu. Auch die Klangkulisse wechselt wieder zu leichtem, fröhlichem Geplauder, dem erfreulichen Hintergrundsound gelungener Feiern. Giulio stellt sich neben mich.
»Nette Gesellschaft, was?«
»Ich weiß nicht, was ich hier gerade gesehen habe, aber ich habe den Eindruck, dass es ziemlich dicht an einer Schlägerei vorbeiging. Richtig?«
»Die Schlägerei wäre nicht das Problem gewesen, sondern die Folgen. Hier kennen sich alle schon ziemlich lange. Da gibt es
Weitere Kostenlose Bücher