Heißer als der Wuestenwind
leicht ersetzbar.
Nachdem Zoe sich angezogen hatte, ging sie zum Wohnzimmer der Hotelsuite. Sie hatte alles getan, um so unscheinbar wie möglich auszusehen. Ihre braunen Haare, immer noch feucht, waren zu einem strengen Zopf geflochten. Sie hatte kein Make-up aufgelegt und auf jeglichen Schmuck verzichtet. Ihr verblichener Kaftan zeigte nichts von ihrer Figur, und der gelbe Farbton ließ ihre Haut blass wirken.
Nadir würde entsetzt sein – was gut war, wie sie sich in Erinnerung rief, als sie still den Raum betrat. Wenn er sie nicht attraktiv fand, würde er keine Eile haben, mit ihr zu schlafen.
Jetzt sah sie zwei Bedienstete, die Platten mit Essen trugen und entdeckte Nadir, der auf den großen Seidenkissen am Boden neben dem niedrigen Tisch saß. Er trug ein kurzärmliges graues Hemd und eine dunkle Hose. Geschmeidig stand er auf, als er sie bemerkte.
Stirnrunzelnd musterte Nadir ihre Aufmachung. Sie kannte diesen Blick. Er drückte Missfallen aus. Enttäuschung. Zoe fragte sich, ob er ihre arrangierte Ehe bereits bereute.
„Ich hoffe, du hast gut geschlafen“, meinte er schließlich.
„Ja, danke“, log sie.
Das Funkeln in seinen dunklen Augen verriet ihr, dass er die Wahrheit kannte. Er wusste, dass sie die ganze Nacht auf der Hut gewesen war. Jedes Mal, wenn sie glaubte, von ihm abrücken zu können, hatte er sie mit festem Griff daran gehindert.
„Bitte, nimm dir Frühstück.“ Er deutete auf den niedrigen Tisch, der beladen war mit Speisen. Sie atmete das Aroma von starkem Kaffee und schmackhaftem Frühstück ein.
Aber sie war es nicht gewohnt, früh am Morgen so viel zu essen, und mit Nadir zu frühstücken, schien ihr zu vertraut. „Nein, danke. Ich frühstücke nicht.“
„Gestern Abend hast du nicht viel gegessen.“ Er legte seine Hand auf ihren Rücken. Die unerwartete Berührung verblüffte sie, und sie zuckte zusammen. Nadir runzelte die Stirn, als sie automatisch einen Schritt zur Seite trat. „Ich bestehe darauf, dass du etwas isst.“
Es überraschte sie, dass er ihren mangelnden Appetit bemerkt hatte. Was bemerkte dieser Mann noch alles? Sie musste wachsam bleiben, entschied sie und wollte auf die andere Seite des Tisches gehen.
„Nein, Zoe, setz dich neben mich.“ Er deutete auf das große Seidenkissen, das sie sich teilen würden.
Zoes Blick flog zu seinem Gesicht. Etwas flackerte in seinen Augen auf, ehe seine Miene einen unschuldigen Ausdruck annahm. Aber sie wusste es besser. Er spielte nur die Rolle des vernarrten Ehemannes.
Ob er diese Rolle für die Bediensteten spielte, die beflissen in der Nähe des Tisches standen? Vielleicht glaubte er, sie würden tratschen?
Oder war das nur für sie bestimmt? Seine Braut zeigte sich widerwillig, also könnte er sie wohl am besten in sein Bett locken, indem er den zärtlichen und umsichtigen Ehemann gab? Sie glaubte nicht, dass er die Rolle auf Dauer durchhalten würde, aber solange er sich so vorbildlich verhielt, würde sie sich dies zunutze machen.
Schweigend ließ sie sich auf dem Kissen nieder. Als Nadir sich neben sie setzte, berührte er unweigerlich ihre Arme und Beine. Sie mochte es nicht, so nahe bei jemandem zu sitzen, besonders nicht bei einem Mann. Zu viele Jahre hatte sie die Gefühlsausbrüche ihres Onkels über sich ergehen lassen müssen und hielt Männer lieber auf Abstand.
Wie eine Ertrinkende griff sie nach der Kaffeekanne, während Nadir ein Stück von dem Fladenbrot abbrach, ein wenig Hammelfleisch daraufhäufte und es ihr hinhielt. Zoe warf ihm einen fragenden Blick zu.
„Iss nur“, meinte er.
„Es gibt genug zu essen.“ Sie deutete auf all die Schüsseln und Platten auf dem Tisch. „Ich muss nicht deines nehmen.“
„Aber ich möchte es mit dir teilen.“ Er führte das Brot an ihre Lippen.
Es war nicht leicht für sie, sich zu fügen. Aus Nadirs Hand zu essen erforderte von ihr ein gewisses Maß an Vertrauen. Als sie ein wenig den Mund öffnete, schob er das Stück hinein.
Zoe schloss den Mund zu schnell und erwischte die Spitze seines Daumens. Nadir nutzte die Gelegenheit und strich mit dem Daumen über ihre Unterlippe, während sie Mühe hatte, den Bissen hinunterzuschlucken.
Ob er all das nur tat, um sie berühren zu können? Warum sollte er, so blass wie sie aussah? Plötzlich war sie froh um die Bediensteten, deren Anwesenheit jede Intimität im Keim ersticken würde.
Oder versuchte er, sie von sich abhängig zu machen? Wollte er sie glauben machen, dass er für sie sorgte?
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