Heißer als Feuer: Roman (German Edition)
Realität! Andererseits wirkten Celia und John total verliebt, wie sie da oben eng umschlungen auf der Empore standen, überlegte Shay und bereute ihr vorschnelles Urteil wieder. Aber was, wenn es stimmte und die wahre Liebe wirklich existierte? Die Vorstellung brachte sie ordentlich ins Grübeln.
Ian, der neben ihr stand, blickte genau wie sie nach oben zu ihren Eltern. Sobald die beiden sich in ihr Zimmer zurückzogen, spähte er zu Shay. Seine Miene unglaublich weich und fasziniert, wie ein Kind unter dem Weihnachtsbaum.
»Deine Mutter ist für mich der Inbegriff des ewig Weiblichen«, murmelte er.Womit er ihr durch die Blume zu verstehen gab, dass sie da bei Weitem nicht mithalten konnte, schloss Shay. Ian setzte sich wieder auf die Couch und angelte nach dem Sportmagazin, in dem er zuvor geblättert hatte. Er lehnte sich zurück in die weiche Polsterung, schlug die Beine übereinander und vertiefte sich in die Lektüre.
Eine bodenlose Frechheit, wie er sie ignorierte. Dieser Typ brachte sie an den Rand der Verzweiflung! Milde gereizt stampfte Shay zu dem Tisch in der Halle, schnappte sich ihren Ordner und pflanzte sich demonstrativ in die andere Ecke des Sofas. Ihr Stiefbruder verzog keine Miene.
Der Ledereinband schrammte gegen das Sofapolster, als sie den dicken Ordner aufschlug. Die Plastikhüllen raschelten, während sie die Seiten hin und her blätterte, Fotos umarrangierte, krampfhaft bemüht, Ians Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Mit gedämpfter Stimme, aber immerhin laut genug, dass er mithören konnte, kommentierte sie die Aufnahmen, die sie aus den Hüllen nahm und genauer inspizierte.
Irgendwann hob er seufzend den Kopf und drehte sich zu ihr. »Vermutlich soll ich zwischendurch fragen, was du dir da so anschaust, hm?«
Warum sie an diesem Punkt nicht den Ordner zuknallte und nach oben in ihr Zimmer verschwand, hätte sie nicht zu sagen vermocht. Na ja, immerhin hatte sie es endlich geschafft, ihn aus seiner Lethargie zu reißen. Sie schenkte ihm ein honigsüßes Lächeln. »Das ist meine Bewerbungsmappe. Möchtest du sie dir mal anschauen?«
Er zuckte unschlüssig mit den Schultern, woraufhin sich bei Shay sämtliche Nackenhaare hochstellten. Brach er sich etwa einen Zacken aus der Krone, wenn er sich Nacktaufnahmen von ihr ansah? Klarer Fall, so ähnlich dachte er wohl. »Meinetwegen. Lass mal sehen«, antwortete er gelangweilt.
Da er sich nicht rührte, sah sie sich genötigt, mitsamt dem Ordner ein Stück zu ihm zu rutschen. Er nahm ihn auf seinen Schoß, schlug die erste Seite auf und betrachtete die Fotoserie.
»Als diese Aufnahmen gemacht wurden, war ich noch auf dem College. Das sind meine ersten Posings. Es war kurz nach Dads Tod, und wir hatten das Geld bitter nötig. Ich studierte Kunst, und unser Dozent fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, für die höheren Semester nackt Modell zu sitzen, weil die schon mit dem Aktzeichnen begonnen hatten.«
»Dozent oder Dozent in ? Ich tippe auf Ersteres.«
Es juckte ihr in den Fingern, ihm das süffisante Grinsen aus dem Gesicht zu schlagen. »Nein, du irrst. Es war eine Dozentin.« Ihre Stimme klang gefasst, obschon sie vor Wut hätte platzen mögen.
Sie beobachtete Ians undurchsichtige Miene, während er bedächtig die Seiten durchblätterte. Sein Blick glitt von einer Aufnahme zur nächsten, ernst und konzentriert. Ebenso gut hätte er sich die Landschaftsaufnahmen in irgendeinem Urlaubskatalog anschauen können.
Warte mal ab, bis die wirklich guten Sachen kommen, lag es ihr auf der Zunge zu sagen. Die ersten Fotos waren noch sehr unprofessionell – ein Bekannter hatte sie seinerzeit gemacht, weil Shay dringend Material brauchte, um ihre Mappe zusammenzustellen.
»Dieser Maler ist schwer berühmt«, sagte sie, als Ian eine Aufnahme von einem Gemälde betrachtete, das lediglich ihre Rückansicht zeigte. Sie trug das Haar hochgesteckt, ein paar fedrige Strähnen ringelten sich in ihrem Nacken. Die weichen Pinselstriche fingen die Textur ihrer Haut perfekt ein, modellierten die Konturen ihres schlanken, biegsamen Rückgrats und die beiden Grübchen oberhalb ihres Pos.
»Stimmt, der Name sagt mir was«, meinte Ian in beiläufigem Ton. »Hat er nicht zufällig auch das Bild ›Morning Maid‹ gemalt?«
Shay schaute ihn mit großen Augen an. »Ja. Ich hätte nicht gedacht, dass du diesen Maler kennst.«
»Ich kenne nicht ihn , sondern bloß seine Werke.«
Er blätterte weiter, erwähnte hier und da, dass er den Fotografen oder
Weitere Kostenlose Bücher