Heißer als Feuer: Roman (German Edition)
Blick über ihre Schulter zu. Sie trug ein schmal geschnittenes Sommerkleid mit Spagettiträgern, die sich im Rücken kreuzten, und zeigte viel nackte Haut. Der weich fließende Rock umspielte ihre schlanken Waden. Das Ethnomuster unterstrich ihren honigfarbenen Teint und die blonden, von der Sonne gebleichten Haare. Kräftig getuschte Wimpern und mit schwarzem Kajal umrahmte Lider betonten ihre exotisch anmutenden Züge. Sandaletten mit langen Bändern, die sie um die Knöchel geschlungen hatte, vervollständigten diesen aparten Retrolook.
»Und, bist du fertig mit deiner Sonntagspredigt?«, meinte sie spröde.
Statt einer Antwort musterte Ian sie spöttisch. Er straffte die Schultern, richtete sich zu seiner vollen Länge auf. Sie reckte den Hals, um ihm ins Gesicht sehen zu können. Und was sie da sah, behagte ihr gar nicht. Er machte sich über sie lustig!
»Die Höschen, die du im Bad ausgewaschen hast, waren noch nicht ganz trocken, als ich in die Dusche wollte. Ich hab sie in deinem Zimmer über eine Stuhllehne gehängt. Ich hoffe, das ist okay so.«
Daraufhin trollte er sich durch den rückwärtigen Eingang ins Freie. Wie um das Gesagte zu unterstreichen, knallte die Blendentür hinter ihm ins Schloss.
»Höschen?« Celias Stimme überschlug sich fast. »Hab ich da gerade was von …«
»Ja, Höschen. Er hat Höschen gesagt«, brüllte Shay ihre Mutter an. Dieser Kerl machte sie rasend! Damit man ihr den Frust nicht anmerkte, wandte sie sich hastig wieder der Zubereitung ihrer Salatsauce zu.
Während des gesamten Essens empfand sie sich als Zielscheibe für Ians Spott. Er sagte es zwar nicht laut, seine vielmeinenden Blicke signalisierten Shay jedoch, dass er ihrem Plan auf die Schliche gekommen war. Er hatte ihre Taktik durchschaut, und statt sie für eine Verführerin zu halten, behandelte er sie wie eine völlig Gestörte.
Sie rührte das Essen auf ihrem Teller kaum an, dafür sprach sie dem Burgunder, den John zu den Steaks geöffnet hatte, umso durstiger zu. Als sie aufstand, um ihrer Mutter beim Aufräumen zu helfen, fühlte sie sich angenehm beschwipst. Nachher spielten John und Ian eine Partie Schach. Celia setzte sich vor den Fernseher, um sich einen Liebesfilm anzuschauen. Shay kochte innerlich.
Gelangweilt tigerte sie durch das Haus. Als sie feststellte, dass ihr Tennisschläger noch an der Garderobe lehnte, beschloss sie, ihn in ihren Wagen zu bringen. Die kühle Abendluft half ihr bestimmt, wieder einen klaren Kopf zu bekommen.
Sie hatte fest vor, dieses Wochenende als »dumm gelaufen« abzuhaken und am nächsten Morgen heimzufahren, möglichst noch bevor Ian auf den Beinen war. Am besten, sie packte noch heute Abend. Sie hatte sich vollkommen lächerlich gemacht. Und konnte es kaum erwarten, wieder in ihre Welt zurückzukehren, wo man ihre Meinung respektierte und sie nicht für ein kleines Dummchen hielt, bloß weil sie blendend aussah. In ihren Kreisen lachte man mit Shay und nicht über sie.
Als sie den Tennisschläger in dem geöffneten Kofferraum verstaute, fiel ihr Blick auf ihre Mappe. Die großformatige Ledermappe war ihr ständiger Begleiter und dokumentierte ihre Karriere als Aktmodell. Wenn sie sich wegen irgendwelcher Engagements zu Besprechungen mit Künstlern traf, benutzte sie die Aufnahmen von Gemälden, Skulpturen sowie Fotoabzüge als Referenzen.
Leise triumphierend schnappte sie sich die schwere Mappe aus dem Kofferraum, stopfte sie sich unter den Arm und stampfte zurück ins Haus.
Himmel, was war denn jetzt wieder passiert? Ihre Mutter stand in der Eingangshalle und schmiegte sich völlig aufgelöst in Johns Arme. Betroffen ließ Shay die Mappe auf den Garderobentisch fallen. »Aber Mom, was ist denn?«
»Der Film«, sagte John. Aus Shays Kehle kam ein erleichterter Seufzer. »Er hatte ein trauriges Ende«, erklärte ihr Stiefvater. »Komm, mein Liebes, lass uns nach oben gehen.« Er hauchte Celia einen Kuss auf die Schläfe und drückte sie zärtlich. Dann schob er sie zur Treppe und geleitete sie die Stufen hinauf, dabei streichelte er ihr begütigend über den Rücken und wiederholte fortwährend: »Es ist doch nur ein Film, Schatz.«
Shay verdrehte die Augen. Ihre Mutter war hoffnungslos sentimental, was solche albernen Liebesgeschichten betraf. Pah, große Gefühle und die wahre Liebe! Kapierte Celia denn nicht, dass derart romantischer Schwachsinn von irgendwelchen Autoren und Regisseuren zusammengesponnen wurde? So was war doch total abseits jeder
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